Au hasard Balthazar (1966)
Robert Bresson ist einer der ganz Großen des französischen Films: In der Zeit des frühen Tonfilms hatte er mit "Les Affaires publiques" (1934) begonnen, als Regisseur zu arbeiten; 1983 legte er seine letzte Regiearbeit hin (und am Ende des Jahrhunderts, am 18. Dezember 1999, starb er im hohen Alter von 98 Jahren). Doch weder vom poetischen Realismus, noch vom cinéma de qualité, noch von der nouvelle vague oder dem cinéma du look wurde er sonderlich beeinflusst - vielmehr entwickelte er einen ureigenen Stil, der seinerseits viele andere Filmemacher beeindrucken und inspirieren sollte. Dieser Stil, den der Regisseur Paul Schrader einst als transcendental style beschrieb, ist schon in den 40er Jahren in Bressons zweitem Langfilm zu erblicken: In der Bernanos-Verfilmung "Journal d'un curé de campagne" (1951) gelangt dieser reduzierte, minimalistische Stil, der Bresson zufolge im Weiß, in der Stille und in der Unbeweglichkeit fußt, erstmals zur Blüte und wird in "Un Condamné à mort s'est échappé ou Le vent souffle où il veut" (1956) in aller Radikalität angewandt. Nicht bloß Paul Schrader ließ sich von Bressons Stil später beeinflussen: Auch Godard, Straub & Huillet oder Haneke weisen vielfach bressonsche Züge auf, wenngleich es keiner so gut wie Bresson verstand, den minimalistischen Ansatz für eine Projektionsfläche tiefer Emotionen zu nutzen: Nicht Distanz und Verfremdung, sondern Erhabenheit ruht in Bressons Bildern.
"Au hasard Balthazar" - am 06. Mai 1966 auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt und bereits am 25. Mai 1966 in die französischen Kinos gelangt - ist einer der bekanntesten & beliebtesten Bressons, gleichwohl er hier nicht ganz die formale Radikalität erreicht, die er in anderen Filmen an den Tag legt. Dafür jedoch besitzt die Geschichte des Balthazar getauften Esels, der einen furchtbaren Leidensweg durchläuft, ohne vermenschlicht zu werden (wie etwa das Pferd in Spielbergs sentimentalen "War Horse" (2011)), derweil sich um ihn herum die Schicksale jener Menschen ereignen, die zum Teil Jahre zuvor als Kinder mit Balthazar gespielt hatten, Uneindeutigkeit und Interpretationsspielraum genug - wie auch der folgende Bresson-Klassiker "Mouchette" (1967) -, um mit seiner freien Dramaturgie (die wie jeder Bresson auf Spannung, Action, Spektakel und Attraktion vollständig verzichtet) das Publikum für sich zu vereinnahmen: Hier wird ein leidvolles Bild der Existenz gezeichnet, die nur gelegentlich von erhebender Wärme durchdrungen wird, ohne dass der Film den Beigeschmack des Dogmatischen, Belehrenden, Thesenhaften haben würde. Dass der Film formal nicht ganz so radikal ausgefallen ist, gleicht Bresson durch einen radikalen, episodenhaft mäandernden, dramaturgischen Ansatz wieder aus. Einen eigenwilligeren Tierfilm hat erst - der ebenfalls von Bresson beinflusste, aber ganz eigene Wege gehende - Bela Tarr mit "A Torinói ló" (2011) abgeliefert... Cineast(inn)en können sich zudem noch an einer jungen Anne Wiazemsky erfreuen, die hier ihrer erste Filmrolle spielt und später vor allem bei Godard, aber auch bei Pasolini, Ferreri und Garrel zu sehen war. Und auch der Schriftsteller und Denker Pierre Klossowski bekleidet eine kleine Rolle in diesem Werk.
Eine deutsche Veröffentlichung steht noch immer aus, aber Nouveaux Pictures (Fassungseintrag von dvdeus) und Criterion (Fassungseintrag von savethegreenplanet) bieten den Film engl. untertitelt auf DVD an: einmal kostengünstig, einmal etwas bonusmaterialreicher...
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Vielleicht schafft es Dein Anniversary-Text, dass ich mir “Balthazar” nun endlich anschaue. Ich war auf ihn gestoßen, als ich mich mit Michaek Haneke beschäftigte, für den dieser Film – neben seinen eigenen ;O) – zentral ist. Und seitdem harrt er im Schrank…
Da hast du schöne 1,5 Stunden vor dir… 🙂