Necronomicon - Geträumte Sünden (1967)
Tod & Sexualität sind eng aneinander gekoppelt; bei wohl keinem Filmemacher schlägt sich diese Verbindung so häufig & intensiv nieder wie bei Jess Franco. Was in seinen naiven Horrorfilmen und ironischen Science-Fiction-Thrillern der 60er Jahre als erotisierte tödliche Bedrohung plakativ anmutet und von Franco daher zumeist als Camp zelebriert wird, fällt dagegen in jenen Filmen, die sich in erster Linie als Erotikfilme darbieten, subtiler aus: als Liebe bis zur Selbstaufgabe & -auflösung und als verschlingende, vollständig vereinnahmende Liebe, die bei Franco meist vampiristische Züge annimmt. In den 60er Jahren kamen bloß zwei solcher Francos heraus: "Necronomicon – Geträumte Sünden" (1967) und "Paroxismus" (1969).
"Necronomicon – Geträumte Sünden", der Ende Juni 1967 während der Berlinale auf dem European Film Market zu sehen war, lief später ziemlich erfolgreich in den Kinos, soll von Fritz Lang überschwänglich gelobt worden sein und gilt inzwischen (mit seiner Gulda-Tonspur und den Lagerfeld-Kostümen) als einer der großen Klassiker im Œuvre Francos: Lorna Green (Janine Reynaud) räkelt sich als mörderische femme fatale durch nur scheinbar tödlich endende S/M-Bühnenshows... privat wird sie von Alpträumen heimgesucht, die auch Erinnerungen darstellen könnten; in ihnen flirtet sie zu Beginn und mordet am Ende: die Opfer (darunter Howard Vernon) sind im Nachhinein offenbar tatsächlich tot. Immer wieder taucht ein unheimlicher Fremder auf, der Lorna in seiner Befehlsgewalt zu haben scheint. Und Lornas Freund William (Jack Taylor) bietet nur scheinbar Halt: tatsächlich ist er als sadistischer Voyeur bestrebt, sie zum Sexualmord an ihren Bühnenpartnern zu verleiten – und sie anschließend erschießen zu lassen. Alles scheint zu klappen: Lorna mordet, William schaut zu und genießt, Lorna flieht, Schüsse im Off. William fährt davon, daheim wartet jedoch Lorna auf ihn: ein letzter Kuss – derweil schiebt sie ihm einen Dolch durch den Hals. Die Erschöpfung danach: "Ruhe, nur Ruhe. Ich bin erschöpft. Ich will vergessen und schweigen. Ruhe, Einsamkeit und Stille..." Der mysteriöse Fremde, zugleich der angeheuerte Auftragskiller, fährt sie anschließend auf das Traumschloss ihrer Alpträume: "Ich werde Ihren Schlaf bewachen." Einige Fragen bleiben offen: handelte es sich bloß um tödliche Intrigen in der Dreiecksbeziehung zwischen drei sadistischen Lustmördern? (Also eine Vorwegnahme seines hübschen "Eugenie" (1970)...) Oder ist Lorna doch besessen oder gar ein übernatürliches Wesen, ein "Succubus" (so einer der Alternativtitel) und der Fremde der Leibhaftige? Ein eingestreutes Märchen über einen Prinzen, der eine unbekannte Fremde ehelicht (so schön, als wäre sie nicht von dieser Welt!), sie einen Palast bauen lässt (ebenfalls so schön, als wäre er nicht aus dieser Welt!) und von ihr eines Tages plötzlich erdolcht wird, legt letztere Deutung nahe: die Frau ergreift die Hand des Sterbenden und erinnert sich daran, den Palast bereits gesehen zu haben – es war der Palast Luzifers.
In diesem Film treibt Franco seinen Franco-Touch in bis dahin noch nicht gekannte Höhen; er hatte gewiss schon bessere Filme gedreht, aber noch keinen, in welchem er derartig stark alles vermengte, was für sein Gesamtwerk charakteristisch werden sollte. Die Handlung, die Schauplätze, die S/M-Erotik - die Franco mit Robbe-Grillet verband, welchem er hier ebenso wie Godard huldigte, mit dem ihn das Vermengen von Hoch- & Pop-Kultur verband -, der Mix aus Erotik & Phantastik, das Irreale, Unwirkliche, der Jazz, die Darsteller(innen) & Rollennamen... hier gibt es auch die für Franco typischen Unterschiede zwischen den diversen Fassungen für verschiedene Länder.
Ausführlich geht Joe Walker in seinem lesenswerten Review auf die Besonderheiten und Qualitäten dieses einschneidenden Franco-Klassikers ein.
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