La battaglia di Algeri (1966)
Die Selbstbefreiung eines Volkes von einem fremden Unterdrücker und das (Wieder-)Erlangen der Unabhängigkeit gehören zu den Schlüsselnarrativen des modernen Nationalstaats. Beinahe jedes Land auf der Welt hat eine – oder mehrere – derartiger Befreiungsgeschichten in seiner Geschichte verzeichnet, es sind essentielle Bezugspunkte der Selbstlegitimierung und der nationalen Identitätsstiftung, die in kulturellen Artefakten festgehalten, beschworen und verhandelt werden. Für den nordafrikanischen Staat Algerien besteht der Gründungsmythos im Abwerfen der französischen, über 130-jährigen Kolonialherrschaft im Jahre 1963, und eine effektive Nacherzählung und Bebilderung des Algerienkriegs folgte bald darauf: Am 8. September 1966 hatte Gillo Pontecorvos Kinofilm „Schlacht um Algier“ offizielle Premiere, nachdem er kurz zuvor in Venedig den Goldenen Löwen ausgezeichnet worden war.
Für „Schlacht um Algier“ vermeiden der italienischen Regisseur Gillo Pontecorvo und sein Drehbuchautor Franco Solinas die ausgetretenen Pfade des traditionellen Historienfilms, sondern gehen einen neuen Weg: die fiktive Filmhandlung stützt sich auf den Konfliktverlauf und historische Ereignisse (Sprengstoffanschläge, der Einsatz der französischen Armee) und Figuren (der Untergrundkämpfer und -anführer Yacef Saadi spielt sich quasi selbst), die Drehorte liegen fast ausschließlich im realen Algier, speziell im muslimischen Viertel Kasbah, in dem viele nicht-professionelle Schauspieler in teils tragenden Rollen zu sehen sind. Zudem wurde der Kontrast der Schwarzweiß-Bilder verstärkt und ein Interpositiv verwendet, was den Film wie aus den dokumentarischen Beiträgen einer Kinowochenschau zusammengeschnitten wirken läßt. Die treibende Musik von Ennio Morricone wird durch traditionelle Trommelklänge und Gesänge wirkungsvoll ergänzt.
Eine beunruhigende Aktualität erlangt "Die Schlacht um Algier" durch die Darstellung von Terroranschlägen gegen Zivilisten, sowohl von französischer als auch von algerischer Seite aus. Auch daß die Franzosen für die Ergreifung der Revolutionsanführer drastische Foltermethoden einsetzte, sparen Pontecorvo und Solinas nicht aus, was dazu führte, daß der Film in Frankreich auf heftigen Widerstand stieß und bis 1971 verboten blieb. Die Frage schließlich, ob der Einsatz von Terrormethoden in bestimmten Situationen berechtigt ist (z.B. um gegen einen übermächtigen Feind zu kämpfen), hat bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren, gerade im Hinblick darauf, daß Frankreich aktuell einer Welle von terroristischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist.
Pontecorvo und Solinas schufen kein pathosgetränktes Heldenstück, sondern mitreißendes, im besten Sinne aufregendes Politkino, das viele andere gesellschaftlich engagierte Filmemacher (etwa Costa Gavras) beeinflußte. In Deutschland ist der Film auf DVD (Fassungseintrag von Akayuki) erhältlich, im Ausland auch auf Blu-ray und in mit reichlich Zusatzmaterial ausgestatteten Editionen (Fassungseinträge für die englische und amerikanische Ausgabe). Die Kritik von Bretzelburger beleuchtet den Film und seine politischen Aspekte noch einmal ausführlich.
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