Bei Qing Cheng Shi (1989)
Hou Hsiao-Hsien und Edward Yang gelten als bedeutendste Vertreter der in den 80ern herrschenden Neuen Welle Taiwans, die sich um wirklichkeitsnahe Stoffe und realistische Inszenierungen bemühte und der bereits in den 90ern eine 'leichtere' und zugänglichere zweite Welle folgte, welcher unter anderem Ang Lee und Tsai Ming-liang zugerechnet werden. Eine Nähe zur französischen Nouvelle Vague (der ersten aller neuen Wellen) wird in den Filmen bisweilen über Zitate oder Besetzungen (etwa mit Jean Pierre Leaud) betont, drückt sich aber nicht stilistisch aus, sondern eher in einer Haltung der Filmemacher zum Autorenbegriff und zum künstlerischen Ausdruck – während stilistisch eher an die Tradition des Neorealismus angeknüpft wird (der freilich auch in der Nouvelle Vague zu finden war).
“Bei Qing Cheng Shi”, der am 21. Oktober 1989 seinen regulären Kinostart in Taiwan erlebte, gilt als einer der bedeutendsten Beiträge der neuen Welle – und wurde etwa 2005 auf der Hong Kong Film Award Liste auf Platz 5 der hundert besten chinesischen Filme bzw. zum besten taiwanesischen Film – gewählt. Das in langen Einstellungen gedrehte, geruhsame und unspektakuläre, zweieinhalbstündige Filmepos über die ersten Jahre Taiwans nach dem Ende knapp 50 Jahre währender japanischer Herrschaft, das überhaupt erst nach der 1987 bewirkten Beendigung des 1949 verhängten Kriegsrechts möglich geworden war, ist nicht bloß zum Beginn von Hou Hsiao-Hsiens Taiwan-Trilogie (weitere Teile: “Ximen renshen” (1993) & “Nanguo Zaijan, Nanguo” (1993)) geraten, sondern zugleich zu einer der bedeutendsten filmischen Geschichtsaufarbeitungen.
Dabei verzichtet Hou Hsiao-Hsien – ähnlich wie Theo Angelopoulos in seinen frühen Historienfilmen, wenngleich ohne Momente brechtscher Verfremdung – darauf, die bedeutenden historischen Wendepunkte einzufangen und präsentiert stattdessen intime Einblicke in das Familienleben seiner Figuren, denen er sich jedoch stets nur sehr distanziert, ohne Nahaufnahmen annähert. Das vielfach gelobte und ausgezeichnete Werk macht es daher gerade dem europäischen Publikum nicht leicht: Kenntnisse über taiwanesische Geschichte werden fast schon mehr vorausgesetzt, als vermittelt – und auch der Einsatz fünf asiatischer Sprachen und verschiedener Dialekte dürfte für ungeübte Ohren kaum gänzlich zu erfassen sein.
Gut erhältlich ist das Werk – wie so viele Hou Hsiao-Hsiens – jedoch nicht: englisch untertitelt konnte man den Film einst als VHS von Artificial Eye erwerben. Die einzige (japanische – und ausschließlich japanisch untertitelte) DVD-Veröffentlichung dürfte für die meisten nur in Verbindung mit externen Untertiteln sinnvoll sein:
Fassungseintrag von Venom138
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