Paroxismus (1969)
Obwohl Jess Franco bereits seit 1957 Filme drehte (und als Assistent bereits einige große Meisterwerke begleitet hatte), etablierte er sich erst ab 1962 als ernstzunehmender auteur des erotischen und phantastischen Films: "Gritos en la noche" (1962), gemeinhin als Spaniens erster Horrorfilm gehandelt, und der etwas subtilere "La mano de un hombre muerto" (1963) waren die Werke, die ihm erstmals breitere Aufmerksamkeit sicherten, wenngleich ein Faible für plakative und als unseriös gehandelte Motive schon zu dieser Zeit auch Gegner und Verschmäher hervorbrachte. Dennoch galt Franco für gut fünf Jahre als kleine Hoffnung des europäischen phantastisch-erotischen Kinos, ehe 1968 vermehrt auch trash-affine, weniger poetische, reißerische Züge hinzukamen wie in Francos Fu-Manchu-Filmen... da gesellte sich dann vielfach Enttäuschung zur allgemeinen Wahrnehmung und Franco spaltete die Gemüter: untalentierter Trashfilmer in erster Linie für die einen, kultiger Virtuose des vermeintlichen Trivialkinos für die anderen. Aber gerade zu dieser Zeit, als Franco sich gehen lässt und kunsthandwerklichen Kitsch, flotten Trash und ambitioniertere Perlen gleichermaßen hervorbringt, als er Universal-Horror, Edgar-Wallace und James-Bond-Welle einerseits und Bunuel, Fellini, Godard, Hitchcock und Robbe-Grillet andererseits huldigt, da entfaltet er zugleich auch erst so richtig seine eigene Handschrift, treibt seine Francozismen endgültig zur Blüte und lässt die Vorliebe für Jazz auch in seine Inszenierungskunst rüberschwappen. "Necronomicon - Geträumte Sünden" (1967) und der am 19. August 1969 in Italien uraufgeführte "Paroxismus" (1969) lassen Francos Ambitionen in den 60er Jahren am deutlichsten erkennen. Hier verschmelzen Eros und Thanatos radikal in sadomasochistischer Ekstase und in Bildern des Verschwimmens, die im Wasser ihr Leitmotiv finden; hier gesellen sich unterschiedlichste Vorbilder zur ureignenen Vision – wenngleich produzentenwunschbedingt mancherlei Zugeständnisse nötig waren. In "Paroxismus" agieren so etwa kein farbiger Jazzmusiker und eine weiße Geliebte in den führenden Rollen, sondern – gemäß den sexistisch-rassistischen Vorgaben – ein weißer Mann und eine farbige Geliebte; eine Cuckold-Szene mit Klaus Kinski wurde als Anlehnung an Sacher-Masoch verlangt und in der US-Version "Venus in Furs" überlagert ein film-noir-geprägter innerer Monolog weite Teile des Films (was Franco zwar in dieser Form nicht sonderlich gefiel, aber dennoch seinen Reiz hat). Sieht man von solchen Kompromissen ab, so erzählt Franco hier eine vielfach von ihm variierte Geschichte, die fast ins Rape-&-Revenge-Subgenre gehört. Eine Frau, die eine Tote sein müsste, rächt sich als verführerische femme fatale an ihren Peinigern und becirct auch einen Mann, der einst Zeuge ihres Leidens geworden ist. Und der jagt daraufhin an Stränden, auf Straßen und Friedhöfen der femme fatale, der Toten, dem Trugbild nach, um eine erstaunliche Selbsterkenntnis zu machen. Hitchcocks "Vertigo" (1958) steht ebenso Pate wie (manchmal vielleicht etwas bemüht) die Vexierspiele von Resnais/Robbe-Grillet – und dennoch ist Franco weitestgehend stilistisch ganz bei sich, erotisiert die Verausgabung, verpasst der Erotik einen erschreckenden Charakter, oszilliert dementsprechend zwischen einander widerstrebenden Gefühlswelten, findet fiebrige, schwülstige und kühle Bilder gleichermaßen, hantiert geschickt mit Spiegelungen und fluiden Strukturen und Motiven und schafft einen herrlich uneindeutigen Film über Erinnerung, Selbstbetrug, Begehren und Rausch. Inhaltlich sollte vielleicht bloß noch sein "Al otro lado del espejo" (1974) konzentrierter ausfallen; dessen ungeachtet ist "Paroxismus" ein wahres Franco-Meisterwerk, mit James Darren, Barbara McNair, Klaus Kinski, Maria Rohm, Dennis Price und Paul Muller fein besetzt und ausgestattet mit einem eingängigen Titelsong-Ohrwurm und einem faszinierenden musikalischen Leitmotiv...
Positiv lässt sich buxtebrawler in seinem Review über dieses kleine Juwel im Franco-Kanon aus.
Registrieren/Einloggen im User-Center