The Getaway (1972)
Mit "The Wild Bunch" (1969) und "Straw Dogs" (1971) hatte Sam Peckinpah, der frühere Western-Routinier, sein Profil geschärft: er galt nun als skandalträchtiger Filmemacher, der unbequeme, pessimistische Blicke auf die Gesellschaft in brutale, gar blutige Bilder überführte. Der am 16. Dezember 1972 uraufgeführte "The Getaway" setzte nach einem Roman Jim Thompsons und Walter Hills Drehbuch diese Entwicklung fort, setzt sich wie "Straw Dogs" erneut vom Western ab – und griff abermals auf ein streitbares Frauenbild zurück, an dem man sich heute mehr denn je stoßen kann, ohne dass der Film und seine Anlagen damit per se vom Tisch zu wischen wären. "The Getaway" ist ein Thriller, der durch das Motiv der Flucht mit Roadmovie-Momenten aufwartet und mit dem Ziel der mexikanischen Grenze auch eine Western-Tradition anknüpft. Steve McQueen, seit "Bullitt" als harter Hund im Thriller- und Actionkino beliebt, schlüpft in "The Getaway" in die Rolle des Kriminellen Doc McCoy, der vorzeitig nach vier Jahren aus dem Gefängnis frei kommt, weil seine Freundin mit dem einflussreichen Politiker Jack Benyon zu schlafen bereit ist. Dieser hat aber noch mehr Pläne: Doc soll für ihn einen Raubüberfall begehen, mit dem sich Spuren von Benyons eigenen Verfehlungen tilgen lassen – und dabei dann auch gleich sein Leben lassen. Doch der Plan geht nicht auf, Doc wird dem Politiker mit vermeintlich reiner Weste ebenso konsequent abrechnen wie mit einem Komplizen des Überfalls, der ihm ans Leder will. Doch die Bereitschaft seiner Partnerin, für seine Freiheit mit Benyon zu schlafen, bekommt er nicht aus dem Kopf: hier zeigt er eine irrationale, gekränkte Männlichkeit, ehe er dann doch bereit ist, die Beziehung fortzuführen. Es ist bezeichnend, dass im deutschsprachigen oft genug (wie im Fall des Wikipedia-Artikels) davon die Rede ist, dass er seiner Partner verzeihen würde... wofür ja – bedenkt man die Umstände – keinerlei Verzeihung nötig sein sollte. (Wenn eine Verzeihung nötig wäre, dann dafür, mit einer Form der Bestechung das Gesetz außer Kraft gesetzt zu haben; und die könnte und dürfte gar nicht aus Docs Mund kommen.) Eine ähnliche Konstellation ergibt sich für ein anderes Pärchen, das von Docs Komplizen als Geisel und Mitfahrgelegenheit genommen wird: hier wird sich die Frau aus Berechnung, aber auch mit teils gespielter Lust, teils echter Angstlust dem brutalen Verbrecher hingeben, um schließlich vor den Augen des gefesselten Mannes mit ihm ins Bett zu gehen – hier wird sich der zum Hahnrei gemachte Mann später erhängen. Diese Frau wird relativ unsympathisch, gedanken- und gewissenlos gezeichnet; der Hieb aufs Maul, den sie von Steve MacQueen erhält, als sie beim Anblick des niedergestreckten Verbrechers zu schreien beginnt, erscheint hier nahezu als seltenes comic relief. Das wird sich bei einem späteren Heulkrampf kurz darauf wiederholen, wenn ihrer wimmernden Frage mit knapper Antwort und Beleidigung begegnet wird. Im Gegensatz zur geradezu genüsslichen Abwertung einer Figur stehen die Hauptfiguren, Doc und seine Freundin Carol: Carol ist härter und gescheiter als die erwähnte Frau; und ihr Argument, um Doc an sich zu binden, ist ein Appell an seine Stärke; er müsste doch nach vier Jahren Gefängnis hart genug sein, um ihren Verkehr mit Benyon vergessen zu können. Damit hat sie ihn dann auch. Wohingegen der bemitleidenswerte Hahnrei, der sich selbst nach der Demütigung durch seine Freundin den Garaus macht, als ratloser Feigling erscheint, der (angesichts der Umstände: sinnvollerweise) gar nicht versucht, sich aufzulehnen. Er bleibt eine blasse Figur, die kaum Interesse weckt. Der Faszination der Gewalt, Härte und Stärke, die er zu kritisieren versucht, erliegt Peckinpah also durchaus: keinesfalls bloß in den stilvollen blutigen Treffern in Zeitlupe. Doc und Carol sind das charismatischere, faszinierendere, der jeweiligen Kriminalität heldenhaftere, sympathischere Pärchen; beim Geisel-Pärchen indes geben beide Figuren kein gutes Bild ab. Aber eines verbindet die Paare dann doch: So wie Doc der gefühlsbetonteren Carol in Tat und Weitsicht doch überlegen ist, so ist die weibliche Geisel eine krude Mixtur aus Hass- und Witzfigur, ihr Partner hingegen bloß ein blasser, uncharismatischer, bemitleidenswerter Tropf.
Dennoch: "The Getaway" taugt durchaus, um über Rollenbilder und die Lust an der Gewalt nachzudenken – und funktioniert als spannender Thriller durchaus gut, um spätestens im Finale auch formale Finesse zu zeigen, wie man sie von einem Peckinpah erwarten konnte.
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