To meteoro vima tou pelargou (1991)
Nicht mit seinen frühen Kurzfilmen, nicht mit seinem Langfilmdebüt, aber bereits mit seiner ersten Trilogie, der sogenannten Historischen Trilogie, avancierte Theo Angelopoulos in den 70er Jahren zur führenden Figur des griechischen Films. "Megaleksandros" (1980), ein gefeierter Höhepunkt in Angelopoulos' Karriere, der als stark distanziertes, allegorisches, 3½- bis vierstündiges Epos nicht gerade leicht verdauliche Kost darstellt, war zu Beginn der 80er Jahre eine Art Nachtrag zur vorangegangenen Trilogie, zugleich aber auch ein Schwellen- & Übergangswerk, das eine Verlagerung von der großen Geschichte auf die kleine Geschichte des Individuums beschreiben sollte. Seine Trilogie des Schweigens (1984-1988) und seine Trilogie der Grenze (1991-1998) lassen diese Verschiebung deutlich werden, wenngleich Angelopoulos auch hier nach wie vor ein politischer Filmemacher geblieben ist, der die Bedeutung der Geschichte nie aus dem Blick verloren hat. Ab "Trilogia I: To Livadi pou dakryzei" (2004) begann er schließlich damit, Stil & Inhalt des Frühwerks mit Stil & Inhalt der späteren Filme zu vermengen: Was als neue Trilogie geplant war, die mit der griechischen Finanzkrise abschließen sollte, blieb durch Angelopoulos' tragischen Unfalltod bei den Vorarbeiten zum unvollendeten letzten Teil letztlich ein Fragment...
"To meteoro vima tou pelargou", der 1991 auf dem letzten Thessaloniki Film Festival, welches sich ausschließlich mit griechischen Beiträgen beschäftigte, lief und auch auf den Internationalen Filmfestspiele von Cannes zu sehen war, bezeichnet mit dem schwebenden oder zögernden Schritt des Storches ein Verharren im Schreiten: In diesem Verharren erst wird man sich der Auswirkungen eines neuen, vollendeten Schritts bewusst. Als Bild ist das zu Beginn und gegen Ende im Film zu sehen, wenn an der Landesgrenze ein illegaler Schritt über die Grenzmarkierung angedeutet wird: Eine Ausführung des Schrittes würde nicht bloß eine Überschreitung von Ländergrenzen bedeuten, sondern zugleich auch ein Todesurteil - wachsame Wachposten lassen mit ihrer Reaktion auf diese Provokation kaum daran zweifeln. Der Titel bezeichnet also eine Unsicherheit über den Umgang mit Grenzen - und das in jeder Hinsicht: Hier werden Ländergrenzen, soziale Grenzen zwischen arm und reich, zwischen gebildet und ungebildet, existenzielle Grenzen zwischen Leben und Tod, Geselligkeit und Einsamkeit, geistiger und körperlicher Liebe verhandelt, um danach zu fragen, welche Ideale der Mensch hat und welche Preise diese ihm abverlangen. Der Film stellt in dieser Hinsicht sicherlich den radikalsten Beitrag der Trilogie der Grenze dar, wenngleich "To vlemma tou Odyssea" (1995), Angelopoulos' großes Meisterstück, diesen Vorgänger qualitativ nochmals eine ganze Ecke überragen sollte. Mit Marcello Mastroianni, der hier zum zweiten Mal mit Angelopoulos arbeitet, und Jeanne Moreau bietet Angelopoulos' französisch-italienisch-griechisch-schweizerische Koproduktion eine reizvolle Besetzung zweier Schlüsselrollen an: aber nicht nur deshalb, sondern auch wegen der gewohnt eleganten Inszenierung voller wundervoller Choreografien ist "To meteoro vima tou pelargou" ein must see für Cineasten... Und zudem ein Film, der derzeit nicht einfach bloß ein kleines Jubiläum feiert, sondern angesichts der Flüchtlingskrise mit seinen Bildern, seinen Themen, seiner Moral hochaktuell ist. Worum es geht? Inhaltsangabe von PierrotLeFou
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