Man Hunt (1941)
Bereits Fritz Langs opus magnum vom Höhepunkt der Stummfilmära, die beiden "Dr. Mabuse"-Teile (1922), sind – freilich aus rückblickender Perspektive – als hellsichtige Vorausahnung des Faschismus interpretiert worden, wie er bald in Deutschland erstarken und schließlich das Land übernehmen sollte. Knapp 20 Jahre nach Mabuse sollte Lang sich erneut mit dem inzwischen real existierenden Nationalsozialismus auseinandersetzen, wenn auch unter Bedingungen, wie sie unterschiedlicher zu denen der 20er Jahre in Deutschland nicht sein könnten: aus dem amerikanischen Exil, im Hollywood-Studiosystem, mit klarer staatsbürgerlich-politischer Sendung.
„Man Hunt“ („Menschenjagd“), der am 13. Juni 1941 Premiere feierte, bildet den ersten von vier expliziten Anti-NS-Filmen, die Lang in den folgenden Jahren drehen würde: Es folgten „Hangmen Also Die“ (1943), „Ministry of Fear“ (1944) und schließlich „Cloak and Dagger“ (1946). Es sind Thriller, die hauptsächlich in Europa spielen (das mehr oder weniger erfolgreich in den US-Studios rekonstruiert wird), vom Widerstand ganz normaler Bürger gegen die Nazis handeln und in zunehmendem Maß das notwendige Eingreifen der USA bzw. der Alliierten fordern. Der Held in „Man Hunt“ ist der wohlhabende, charmante Großwildjäger Thorndike (Walter Pidgeon), der in Bayern dabei erwischt wird, wie er mit seinem Jagdgewehr auf Adolf Hitler angelegt hat. Dem öligen Gestapo-Chef (George Sanders) erklärt der Brite darauf im Plauderton, Mord sei nie seine Absicht gewesen, es handele sich um einen „sporting stalk“ ohne Tötungsabsicht, und es bleibt bis zum Filmende eine ungelöste Frage, ob der offenbar harmlose Brite – Monate vor Kriegsbeginn! – wirklich die Absicht hatte, Hitler zu erschießen. Thorndike wird gefoltert, und besonders in diesen Szenen bedient sich Lang am Bildarsenal des deutschen Expressionismus, dessen Einfluß (mithilfe von Lang und vielen anderen deutschen exilierten Filmschaffenden) im amerikanischen Film zu jenem Stil führte, der als Film noir bekannt werden sollte. Doch der Ton des Films hellt sich bald auf, denn Thorndike bekommt während seiner Flucht nach England Hilfe, und zwar nicht von offiziellen Stellen wie der Regierung oder der Polizei, sondern aus den unteren sozialen Schichten: ein Schiffsjunge und ein Hafenmädchen werden zu seinen wichtigsten Verbündeten. Sicherlich ist diese Darstellung des klassenübergreifenden Kampfs gegen den Faschismus kein zufälliger Wink des egalitären Amerika an das standesbewußte Vereinigte Königreich. Thorndike indessen bleibt trotz der extremen Situationen seiner Flucht und Verfolgung immer ganz britischer Gentleman und erinnert zuweilen an Cary Grants nonchalante Figur in Hitchcocks „North by Northwest“ – zum Filmende hin (der Krieg hat inzwischen begonnen) wandelt er sich sogar zum Kriegshelden der Luftwaffe.
Bei uns ist „Menschenjagd“ derzeit nicht auf dem Heimkinomarkt erhältlich, die günstigste Variante – ohne deutsche Tonspur – ist der Import der gut mit Extras ausgestatteten US-DVD (Fassungseintrag von Gorcher), da die Blu-ray-Veröffentlichungen in den USA und Spanien bereits vergriffen sind. Eine ausführliche Besprechung bietet das themroc-Filmblog.
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