Horí, má panenko (1967)
Nach dem durchschlagenden Erfolg von "Liebe einer Blondine" (1965), der in der Filmgeschichte als ein Schlüsselwerk der tschechoslowakischen Neuen Welle firmiert, sollte Milos Formans zweiter Spielfilm auch sein letzter sein, den er in der ČSSR drehte, bevor er in den Westen ging: zu offensichtlich gesellschaftskritisch schien den Zensoren die Komödie "Horí, má panenko", die nach ihrer Premiere am 15. Dezember 1967 nur drei Wochen in den Kinos lief und dann verboten wurde. Doch nicht nur die staatlichen Stellen waren empört, auch die Feuerwehrverbände sahen sich verunglimpft – alles nur wegen einer Provinzposse über einen verunglückten Feuerwehrball?
Tatsächlich läßt sich der "Feuerwehrball" (Alternativtitel) zunächst als harmlose Darstellung davon interpretieren, wie eine Gruppe älterer Herren versucht, ihrer Vereinsveranstaltung etwas mondänen Glamour zu verleihen und dabei kläglich scheitern. Die harmlos-spöttische Komik in Gestalt einer Misswahl wird konterkariert durch einen Subplot um gestohlene Tombolapreise, der einen der Feuerwehrmänner in ein moralisches Dilemma stürzt: er hat seine eigene Frau beim Stehlen erwischt, die aber erwidert, alle würden es doch genau so machen, mit seiner Ehrlichkeit würde er nur sich selbst schaden. Seine Frau wird nicht die einzige bleiben, die ihm diesen Vorwurf macht, und der Film bietet noch weitere Beispiele von Scheinheiligkeit, Betrug und Korruption im Rahmen des Balls. Bedenkt man dabei, daß vor allem Luxusgüter in den Ostblockstaaten knapp waren und daher inoffizielle Handels- und Beschaffungspraktiken florierten, die dem offiziellen moralischen Leitbild empfindlich widersprachen, dann wirken die korrupten Praktiken auf dem Feuerwehrball wie ein kaum verhohlener Spiegel der realsozialistischen Wirklichkeit. Forman hat allerdings in späteren Interviews betont, mit dem "Feuerwehrball" nie eine subversiv-satirische Absicht verfolgt zu haben, ihm kann jedoch ebendieses Moment des Stoffes schwerlich entgangen sein. Unbestritten ist indessen die formale Meisterschaft und Geschlossenheit des Films: die Handlung spielt an einem Ort und an einem Abend, das Ensemble der Feuerwehrmänner und die zahlreichen Ballbesucher rekrutieren sich fast ausschließlich aus Laiendarstellern mit markanten Gesichtern, die der Kameramann Miroslav Ondrícek in enge Kadragen zwängt. Die dadurch erreichte Authentizität der Milieuzeichnung, verbunden mit verschmitzter Situationskomik und klug verpackter Moral, hat offensichtlich damals ihre zum Teil aufrührende Wirkung nicht verfehlt und begeistert bis heute.
Erst seit wenigen Wochen ist "Horí, má panenko" bei uns zum ersten Mal überhaupt erhältlich (DVD, Anbieter: Endless Classics), wer aber etwas hinter die Kulissen schauen will und des Englischen mächtig ist, kommt derzeit an der britischen Blu-ray von Arrow nicht vorbei (Fassungseintrag), die neben einem vorzüglich restaurierten Bild auch umfangreiches Bonusmaterial mit politischen und filmgeschichtlichen Hintergründen sowie Interviews mit den Filmschaffenden bietet.
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Ebenfalls allen Anniversary-Ecke-Beiträgern ein Frohes Neues und (zum wiederholten Male) einen speziellen Dank an PierrotLeFou für seine unermüdliche Arbeit an dieser Kolumne!
Und wieder schließt ein Text von ratz die diesjährige Jubiläumsfilm-Rückschau ab. Ihm und auch Stefan M danke ich einmal mehr für ihre regelmäßige & tatkräftige (und auch im kommenden Jahr wieder eintretende) Unterstützung – ebenso nochmals Mayoko, die in diesem Jahr mit ihren Miyazaki-Kenntnissen eingesprungen ist.
118 Filme – aus diesmal fünf Jahrzehnten – waren dabei, wenngleich wieder so einiges auf der Strecke geblieben ist: The Scarlet Car (1917), Thomas Graals bester Film (1917), Fauno (1917), Tom Sawyer (1917), Raffles, the Amateur Cracksman (1917), The Little Princess (1917), One of Our Aircraft Is Missing (1942), Now, Voyager (1942), The Palm Beach Story (1942), Saludos Amigos (1942), Der große König (1942), Die goldene Stadt (1942), Lobos da Serra (1942), Sherlock Holmes and the Voice of Terror (1942), The Undying Monster (1942), Reap the wild Wind (1942), Wir machen Musik (1942), Astérix le Gaulois (1967), La chinoise (1967), Kon (1967), Report (1967), Edipo re (1967), L’harem (1967), In the Heat of the Night (1967), The Night of the Generals (1967), Dio perdona… Io no! (1967), Requiescant (1967), Faccia a faccia (1967), I giorni dell’ira (1967), Le vieil homme et l’enfant (1967), Herbst der Gammler (1967), Quatermass and the Pit (1967), Frankenstein Created Woman (1967), Ninja bugei-cho (1967), Romy – Portrait eines Gesichts (1967) – welcher im Januar 2018 seine DVD-Veröffentlichung erhalten wird -, Okasareta hakui (1967), How I Won the War (1967), Já, spravedlnost (1967), A Few Good Men (1992), Lektionen in Finsternis (1992), Terror 2000 – Intensivstation Deutschland (1992), Damage (1992), Howards End (1992), A River Runs Through It (1992), Scent of a Woman (1992), Lethal Weapon 3 (1992), Belle époque (1992), Memoirs of an Invisible Man (1992), Minbo no onna (1992), Schtonk! (1992), Death Becomes Her (1992), Single White Female (1992), Into the West (1992), The Bodyguard (1992), Army of Darkness (1992), 1492: Conquest of Paradise (1992), Guelwaar (1992), Wayne’s World (1992), Raising Cain (1992) und Betty (1992) sind bloß einige der Titel, an die man ruhig noch hätte erinnern können…
2018 wird es dann mit rund 125 Filmen (aus vier Jahrzehnten) weitergehen. Die vergleichsweise große Menge rührt auch daher, dass es aufgrund der Bedeutung des Jahres 1968 mit seiner 68er-Bewegung im Rahmen der Anniversary-Ecke eine kleine, etwa 17teilige 1968-Retrospektive geben wird… neben vielen 1968er Titeln, die größtenteils ohnehin das zeitgenössische Klima transportieren, wird es daher einige Titel (vornehmlich aus dem Agitations-, Dokumentar-, Essay- und Experimentalfilm-Bereich) geben, die sich mehr oder weniger gewichtigen politischen Ereignissen jenes Jahres annehmen und verschiedene Strömungen des Jahres zum Ausdruck bringen. Aber auch der Horrorfilm, der 1968 einige Schlüsselwerke des modernen Horrorkinos hervorbringt, wird diesmal (auch mit vielen Werken aus den 40er und 90er Jahren) verstärkt vertreten sein… (auch mit einem prall gefüllten Lovecraft-Halloween-Special.)
Ansonsten bleibt alles beim Alten: 60er und 90er Jahre werden bei aller Bemühung um Gleichberechtigung etwas stärker vertreten sein als die 10er und 40er Jahre, die USA dominieren erneut… Japan ist wieder einmal im asiatischen Bereich tonangabend – wobei insbesondere Kurosawa mit seinem ersten und mit seinem letzten Film zwei ganz besondere Jubiläen feiert. Aber auch ein bislang nur indirekt vertretenes asiatisches Land wird diesmal hinzukommen! Ebenso ein bislang noch gar nicht vertretener Kontinent… Und nachdem Asterix & Obelix trotz ihres ersten Zeichentrickfilms im Jahre 1967 nicht gewürdigt worden sind, werden sie im kommenden Jahr dann mit dem – ohnehin oftmals inniger geliebten – zweiten Film dabeisein… Mehr sei erst einmal nicht verraten – außer vielleicht, dass spätestens in der Mittagszeit des Neujahrstages ein kleines Kuriosum die Anniversary-Ecke 2018 einleiten wird.
Ich wünsche allen Usern einen guten Rutsch in ein möglichst angenehmes Jahr!