The Stalls of Barchester (1971)
Montague Rhodes James ist einer der renommiertesten Vertreter der unheimlichen Geistergeschichte: Seine Erzählungen erreichen das Niveau seines irischen Kollegen und Idols Joseph Sheridan Le Fanu, bieten aber zudem Muster und Strukturen, in denen sich die akademische Prägung James' niederschlug. Wo Le Fanu Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts die rigide Sexualmoral unterlief ("Carmilla" (1871/1872)), psychologische Modelle bediente ("Green Tea" (1872)) oder beides zugleich lieferte ("Strange Event in the Life of Schalken the Painter" (1839)), da drehte sich bei James, dessen Texte im frühen 20. Jahrhundert erschienen, alles um Artefakte und Manuskripte, die von meist gelehrten Hauptfiguren unter die Lupe genommen werden, bis sich eine Art Fluch, ein Echo früherer Ereignisse entfaltet oder aber bis sich unheimliche Begebenheiten an zuvor betretenen Orten erklären lassen... Das Übernatürliche macht sich dabei stets in aller Deutlichkeit bemerkbar, vielfach aber wird noch die Möglichkeit einer natürlichen Erklärung zugelassen, die allerdings irritierend unwahrscheinlich anmutet. Eine Mischung aus Bedrohung und Ironie durchzieht James' Geschichten dabei, die sich insgesamt subtiler und zurückhaltender lesen als diejenigen seiner Nachfolger wie etwa Edward Frederic Benson.
Verfilmungen seiner Stoffe sollte James nicht mehr erleben: Er starb 73-jährig im Jahr 1936, erste Verfilmungen entstehen erst in den frühen 50er Jahren fürs TV oder mit Jacques Tourneurs "Night of the Demon" (1957) fürs Kino. Das TV-Format Mystery and Imagination brachte von 1966 bis 1968 vier James-Verfilmungen hervor, woran das BBC-Format Omnibus mit "Oh, Whistle, and I'll Come to You, My Lad" (1968) anknüpfte. Dieser 40-Minüter von Jonathan Miller erreichte bald große Beliebtheit und gilt als Ursprung einer ganzen Reihe britischer James-Verfilmungen fürs Fernsehen, die – wie viele Erzählungen selbst – für die Weihnachtszeit angedacht waren und sich mit großen Pausen bis heute, bis zum am 24. Dezember dieses Jahres ausgestrahlten "The Mezzotint" (2021), erstrecken. Seit 2005 kommen dieses TV-Filme mit einem Abstand von ein bis fünf Jahren am Christmas Eve auf die britischen Mattscheiben (wobei in einem Fall die Vorlage nicht von James stammte). Vorher legten Eleanor Yule und Pier Wilkie mit "Ghost Stories for Christmas" (2000) eine Mini-Serie vor, in der Christopher Lee vier von James' Erzählungen wie M. R. James selbst Studenten und Freunden zur Weihnachtszeit vorliest. (Eine Tradition, die wohl auch ein wenig unter Charles Dickens' Einfluss stand, der mit "A Christmas Carol" (1843), "The Chimes" (1844) oder auch "The Haunted Man" (1848) phantastische, teils mild schauerliche Weihnachtsgeschichten verfasste.)
Zuvor gab es bei den Ghost Story for Christmas der BBC eine längere Pause, die von der britischen Mini-Serie "Classic Ghost Stories" (1986) kaum adäquat gefüllt werden konnte, auch wenn die fünf Folgen vom 25. bis zum 30. Dezember ausgestrahlt worden sind. Der erste Durchgang der Ghost Story for Christmas ereignete sich von 1971 bis 1978, wobei die letzten drei Filme ab 1976 schon nicht mehr auf M. R. James zurückgriffen.
Die ersten fünf dieser Filme waren indes noch James-Verfilmungen – allesamt gestemmt von Lawrence Gordon Clark, der später noch "Casting the Runes" (1976) nach jener James-Vorlage drehte, auf die auch schon Tourneurs "Night of the Demon" zurückging; sowie etwa den beliebten Mystery-Drama/Thriller-Mix "A Pattern of Roses" (1983). Für das Weihnachts-Geistergeschichten-Format drehte Clark im Jahrestakt die Filme "The Stalls of Barchester" (1971), "A Warning to the Curious" (1972), "Lost Hearts" (1973), "Treasure of Abbot Thomas" (1974) und "The Ash Tree" (1975).
"The Stalls of Barchester" wurde am 24. Dezember 1971 als erste offizielle Ghost Story for Christmas ausgestrahlt – und wird James Vorlage mit Tonfall, Atmosphäre, moderatem Schock und Laufzeit überaus gerecht.
Das Review von Moonshade und das Review von Randolph C. seien hier gleichermaßen zur Lektüre empfohlen.
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By the way: Hierzulande findet/fand heute auch – bereits zum zehnten Mal – der Kurzfilmtag statt, der 2011 in Frankreich ins Leben gerufen und im Folgejahr in Deutschland aufgegriffen wurde; und hier nun bundesweit mit 223 Veranstaltungen begangen wird… Insofern passt der knapp dreiviertelstündige Ghost Story for Christmas auch ganz gut… 😉
Wintersonnenwende… Die habe ich einfach einmal genutzt, um noch die Ghost Stories for Christmas reinzuquetschen… 😉