Odd Man Out (1947)
Umbrüche oder Wendepunkte in künstlerischen Karrieren lassen sich meist erst im Rückblick erkennen, und oft kann man sie dann sogar an spezifischen Werken festmachen. Im Fall der Karrieren des Regisseurs Carol Reed und des Schauspielers James Mason war dies ihr gemeinsamer Film „Odd Man Out“, der am 30. Januar 1947 in die britischen Kinos kam, außerordentlich beliebt beim Publikum war, von der Kritik geradezu gefeiert wurde und vielen noch heute als ihr bester Film gilt.
Reed hatte sich bereits u.a. mit dem Spionagethriller „Night Train to Munich“ (1940, Anniversary-Text) als fähiger Regisseur profiliert und schickte sich nun an, in nur drei aufeinanderfolgenden Jahren gleich drei Klassiker der Filmgeschichte vorzulegen: „Odd Man Out“, „The Fallen Idol“ (1948) und natürlich „The Third Man“ (1949). Diese überragenden Triumphe jedoch sollten seine folgende Arbeit wie eine schwere Hypothek belasten, da sie stets daran gemessen wurde und ihnen natürlich nicht gerecht werden konnte. Dagegen befand sich James Mason auf dem Höhepunkt seiner Popularität im Vereinigten Königreich und galt als das größte Zugpferd an den Kinokassen, er war jedoch unzufrieden mit seinen ihn unterfordernden Rollen und bereits entschlossen, neue Herausforderungen in Hollywood zu suchen. „Odd Man Out“ sollte Masons vorletzter Film in der Heimat und Reeds Beginn seiner Erfolgstrilogie werden, und tatsächlich ragt der Thriller in der Ästhetik des Film Noir erratisch aus dem Genre heraus, da er ganz verschiedene, entlegene Elemente miteinander vereint. Gemeinsam mit dem Autor der Romanvorlage, F. L. Green, befreite Reed die Geschichte des verwundeten und im nächtlichen Belfast verfolgten IRA-Kämpfers Johnny (Mason) von allen politischen Implikationen und machte daraus die mit christlichen Motiven angereicherte Passionsgeschichte eines Schuldigen, der auf dem mühsamen Weg über mehrere Stationen der Erlösung entgegengeht. So beginnt „Odd Man Out“ noch mit konventionellen Mitteln der Spannungserzeugung (Banküberfall, Verfolgungsjagd durch die Polizei) und realistischen, teils dokumentarisch wirkenden Aufnahmen der Belfaster Innenstadt, verlagert sich jedoch etwa ab der Filmmitte in die Innenwelt des gequälten Protagonisten. Der Plot beginnt zu mäandern, prägnant gezeichnete Nebenfiguren (Straßenkinder, Clochards, ein katholischer Priester) verhandeln Johnnys Schicksal, deutlich als solche erkennbare Studiobauten erzeugen surrealistisch wirkende Settings. Kameramann Robert Krasker schöpft das visuelle Repertoire des deutschen Expressionismus voll aus und läßt das nächtliche Pflaster glänzen und riesige Schatten an den Mauern entlangschleichen.
„Odd Man Out“ besticht nach wie vor, sowohl mit dem ungewöhnlichen Plot und der visuellen Gestaltung, als auch mit den intensiven, teils theatralisch überhöhten Schauspielleistungen von Mason und den Nebenfiguren. Die deutsche DVD von Koch Media (Fassungseintrag) ist lange vergriffen, jedoch ist der Klassiker in Großbritannien günstig als Blu-ray mit sehr gutem Bonuspaket zu haben (Fassungseintrag): das ausführliche Booklet berichtet detailliert von den Produktionsumständen des Films, der damaligen Lage der britischen Filmindustrie und von der öffentlichen Fehde, die sich James Mason mit ihr leistete.
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