Black Narcissus (1947)
Gewiss, "A Matter of Life and Death" (1946) hatten Michael Powell und Emeric Pressburger bereits nach Ende des Zweiten Weltkrieges produziert. Dennoch war die Kriegserfahrung damit noch nicht ganz vom Tisch. In seinem Text dieser Rubrik hatte ratz diesen phantastischen Film mit "The Life and Death of Colonel Blimp" (1943) verglichen, der Krieg ist auch maßgeblicher Bestandteil dieses Films. Insofern könnte man auch den am 24. April 1947 uraufgeführten "Black Narcissus" als ersten echten Nachkriegsfilm von Großbritanniens gewichtigstem Regie-Duo begreifen: entstanden nach einem Roman von Rumer Godden, der (bezeichnenderweise?) vor dem Krieg entstanden und 1939 erstmals veröffentlicht worden war. Das Interesse am Roman wurde kürzlich durch eine BBC-Serien-Verfilmung neu entfacht. Und nicht nur das Werbematerial lässt an Powell & Pressburger denken, sondern auch Charlotte Bruus Christensen auf dem Regiestuhl: immerhin handelt es sich um eine renommierte dänische Kamerafrau, die etwa Vinterbergs "Far from the Madding Crowd" (2015) bebilderte. Und "Black Narcissus" gilt immerhin als einer der bis dahin erstaunlichsten Farbfilme von Powell und Pressburger, der Oscars für die Best Color Art Direction und Jack Cardiffs Best Color Cinematography erhielt: Der immens prächtige Technicolor-Film ist eine wahre Augenweide, zumal die betörenden Bilder von einer (freilich recht zugeknöpften) Erotik durchweht werden: In einem Palast im Himalaya, der einst Konkubinen beherbergte, sollen Ordensschwestern eine Klosterschule auf die Beine stellen, unterstützt von einem britischen Verwalter. Zwischen Gelübde und Begierde ringen die Schwestern mit sich und ihren Gefühlen, ihrem Glauben – ohne dass der Film sich freilich in die international als nunsploitation gelabelte Sparte der erotisierten Nonnenfilme eingliedern ließe, die vor allem knappe 20 Jahre später zu boomen begannen. Mit Deborah Kerr, Sabu, David Farrar, Jean Simmons u. v. a. ist ein durchweg seriöser, psychologisch stimmiger, ambitionierter Film herausgekommen, der formal wie inhaltlich überzeugt und nach einer Vorkriegsvorlage allenfalls noch als indirekte Verarbeitung der Erfahrungen der vorherigen Kriegsjahre (und den Dilemmata notwendiger Entscheidungen zwischen Verpflichtung/Pflicht hier und Bedürfnis dort) dienen mag... Dass Powell und Pressburger diesen Streifen mit dem im Folgejahr uraufgeführten "The Red Shoes" (1948) nochmals gehörig übertrumpfen sollten, mag erklären, weshalb "Black Narcissus" doch ein wenig ins Hintertreffen geraten ist.
Mehr? Review von Gevatter Hein
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