Le chevalier mystère (1899)
Es scheint auf den ersten Blick erstaunlich, macht aber nach erstem Nachdenken doch Sinn, dass schon der frühe Stummfilm die Praxis des Metafilms für sich entdeckt hatte. Der überaus ambitionierte "Le mystère des roches de Kador" (1912) dürfte der Höhepunkt solcher Filme aus der Zeit des beginnenden Siegeszugs des Langfilms sein, der die psychologische Seite des Filmschauens und der Identifikation zum Thema macht. Vergleichsweise oberflächlich blieben zuvor vor allem die metafilmischen Komödien à la "Uncle Josh at the Moving Picture Show" (1900), worin sich immerhin ein parodistisches Spiel mit der Anekdote von der ersten "L'arrivée d'un train en gare de La Ciotat,"-Vorführung findet. Spannend war im Kontext seiner Zeit ausgerechnet ein Film, der das Filmemachen oder Filmschauen gar nicht explizit verhandelte: Georges Méliès, der Leinwand-Magier, setzt sich in dem 1899 entstandenen und uraufgeführten "Le chevalier mystère" als zauberkundiger Ritter in Szene, der sich den Kopf einer Partnerin erst auf eine schwarze Tafel zeichnet, ihn dann als dreidimensionales, bewegungsfähiges Objekt aus selbiger entwendet und bald auf einem Fotokamerastativ platziert, welches sich nach kurzer Verhüllung in den Körper der Frau aus Fleisch und Blut verwandelt. Méliès setzt den Realfilm in eine Reihe mit der vorangegangenen Fotografie sowie der Zeichnung, die als Bildergeschichte, Daumenkino oder Laterna Maciga zu den frühen Vorläufern des Films gehört. Méliès schafft ausgerechnet mit seinem Trickeffekt- und Stopptrick-Kino der Illusionen ein Gefühl für Materialität und Medialität des Films; was aus "Le chevalier mystère" einen seiner interessantesten frühen Kurzfilme macht.
Die Arthaus-DVD Georges Méliès – Die Magie des Kinos (Fassungseintrag von Freddy J. Meyers), die den Film neben 28 weiteren Kurzfilmen des Pioniers enthält, ist ebenso empfehlenswert wie nach wie vor gut und günstig zu bekommen; Komplettist(inn)en greifen indes lieber zur Georges Méliès Box von Lobster / Blackhawk Films: Fassungseintrag von Intergalactic Ape-Man
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