Zur Sache, Schätzchen! (1968)
Die Verdienste des Neuen Deutschen Films, der sich seit den Anfängen der 1960er Jahre vom konventionellen BRD-Kino lossagte, sind längst Geschichte und die Bedeutung der daraus entstandenen Filme unbestritten. Doch fällt es auf Anhieb schwer, unter den ernsthaften Werken der Herren Kluge, Herzog oder Reitz eine Komödie zu benennen, und vielleicht war es die Außenseiterrolle der Regisseurin May Spils (die Unterzeichner des Oberhausener Manifestes im Jahr 1962 waren sämtlich Männer), die es ihr ermöglichte, ihre leichtfüßig-ironische Komödie „Zur Sache, Schätzchen“ am 4. Januar 1968 in die Kinos zu bringen, damit einen beachtlichen kommerziellen Erfolg zu feiern und sogar mit dem Bundesfilmpreis geehrt zu werden.
Tatsächlich schafft es „Zur Sache, Schätzchen“, sich vom theoretisch-ideologischen Gewicht des Neuen Deutschen Films völlig freizumachen, ohne dessen Ziele zu verraten oder in die Beliebigkeit oder Plattheit abzurutschen. Der lose gestrickte Plot um einen selbsternannten Pseudophilosophen (Werner Enke, damals und bis heute der Lebensgefährte der Regisseurin), der seinen Geburtstag im Freibad vertrödelt und eine selbstbewußte Schönheit (Uschi Glas) kennenlernt, nimmt sich viel Zeit, die Hauptdarsteller mit dem Auto oder zu Fuß durch das sommerliche München flanieren oder mit Musikuntermalung herumalbern zu lassen. Die Rahmenhandlung mit genrehaften Elementen (ein Einbruch und ein vielleicht geladener Revolver spielen eine Rolle, am Ende fällt auch ein Schuß) dient nur als Folie und ordnet sich dem fröhlich-unbeschwerten Tonfall der Erzählung bis zum Schluß unter. Den eigentlichen Reiz des Films bilden nämlich die teils improvisierten Monologe von Enke in ihrer Spannweite von Kalauereien über originelle Beobachtungen und Wortspiele bis hin zu ironisch verpackten, letztlich aber ernsthaften Betrachtungen wie etwa über die Angst vorm Älterwerden oder Selbstmord. Konterkariert werden diese verbalen Eskapaden durch die natürliche, sinnliche Präsenz von Uschi Glas, deren Erotik selbst den deutschen Beamtenapparat auszuhebeln vermag. Dergestalt portraitiert „Zur Sache, Schätzchen“ zwei sanfte Rebellen – der eine verweigert sich den Anforderungen der Gesellschaft durch Passivität, die andere entflieht ihrem bürgerlich-konservativen Elternhaus durch den Umgang mit eben diesem „Tagedieb“. Dabei verleugnet May Spils erster Langfilm nicht das große Vorbild „Außer Atem“ (1960), vielmehr paßt die Komödie es der bundesdeutschen Wirklichkeit an und macht den Befreiungsversuch das Paares durch den weitgehenden Verzicht auf narrative und filmische Avantgardismen zugänglich und damit letztendlich massentauglich.
Auf dem Heimvideomarkt ist „Zur Sache, Schätzchen“ 2013 restauriert als Blu-ray (Fassungseintrag) und DVD (Fassungseintrag) erschienen, jedoch mit dem großen Manko, daß das originale Bildformat beschnitten wurde – in originaler Gestalt ist der Film nach wie vor nur bei Wiederaufführungen im Kino zu sehen. Dafür sind jedoch zwei Kurzfilme (im korrekten Bildformat) von May Spils enthalten, die den verspielten Humor der Regisseurin originell auf den Punkt bringen.
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