Straw Dogs (1971)
Bis "The Ballad of Cable Hogue" (1970) wurde Sam Peckinpah nahezu ausschließlich als Western-Regisseur wahrgenommen. Auch heute noch ist sein Ruf mit diesem US-amerikanischen Filmgenre par excellence verbunden; aber ab 1971 verlegte er sich auch merklich auf thrill- und actionreiche Dramen in Milieus der Gegenwart (oder des Zweiten Weltkriegs wie in "Cross of Iron" (1977)). Den Anfang dieser Spätwerke markiert der am 25. November 1971 uraufgeführte home invasion-Thriller "Straw Dogs", dessen Gewalteskalation ihn seinerzeit zu einem – hierzulande lange Zeit gekürzt vertriebenen – Skandalfilm geraten ließ. Daran dürfte auch der Besetzungscoup seinen Anteil gehabt haben, denn kein Geringerer als Dustin Hoffman sichert aus einer Gemengelage diverser Motivationen nach My home is my castle-Manier seine vier Wände mit aller Gewalt gegen wütende Eindringlinge. Damit ist man aber bereits am Ende des Films, dem eine komplexe Vorgeschichte vorausgeht: Amy und David Sumner (Susan George, Dustin Hoffmann) ziehen als junges Paar aus den USA in ein kleines, etwas abgelegenes Haus in einer englischen Gemeinde, aus welcher Amy stammt. Der Mathematiker möchte dort in aller Ruhe arbeiten, für seine Frau ist es die Rückkehr in die Heimat. Dort wird sie auch mit offeneren Armen aufgenommen als der US-amerikanische Intellektuelle, der etwas linkisch wirkt – sich als erstes auch amerikanische Zigaretten im Ort erwirbt – und (kaum auf Rassen- und Studentenunruhen angesprochen) schnell auch den Verdacht der Feigheit am Hals hat. Dass Amy lasziv die Begierde der Männer um sich herum weckt, ist einer der ausschlaggebenden Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Sumners: eingeführt wird Amy dann auch mit einer Einstellung, die ihre Brustwarzen ins Zentrum rückt, welche sich unübersehbar durch ihren Pulli drücken. Eingeführt werden die Eheleute auch kaum als Paar: Amy ist in den ersten Minuten mehr mit dem alten Freund Charlie am Plaudern als mit ihrem Mann. Und David reagiert mal latent von oben herab und etwas zu bemüht freundlich, mal sichtlich geringschätzig – aber wer kann ihm das schon verübeln, zumal Hoffman seit "The Graduate" (1967) als Sympathieträger und Charmebolzen galt, selbst noch in seinen etwas zwielichtigeren Rollen. Mit kleinen Provokationen verschärft Amy die sich von Anfang an abzeichnenden Spannungen gehörig: Das bot schon damals (und heute ohnehin) Raum für Misogynie-Vorwürfe – mit denen es man sich aber auch nicht zu einfach machen sollte. Denn David erscheint schnell auch als derjenige, der sich gerne zurückzieht, Amy und ihre Bedürfnisse für sich allein lässt, seine Frau gerne als Vermittlerin nutzt, wenn es um die Kommunikation mit den wenig geschätzten Dörflern geht. Und mehr aus Feigheit als aus jedem anderen Grund nimmt er eine Einladung zur Jagd an, arrangiert sich mit den Männern des Dorfes und führt seine Frau dabei recht barsch vor. Am Tag dieser Jagd wird Amy von ihrem alten Freund Charlie erst verführt, dann von ihm und einem weiteren Kumpan vergewaltigt. Die Beziehung liegt im Grunde schon in Scherben, als dann noch ein zurückgebliebener vermeintlicher Unhold (David Warner) von David angefahren und kurz darauf daheim für den Arzt aufbewahrt wird; derweil ein kleiner, aber entschlossener Lynchmob nach dem Mann sucht... Hier entschließt sich David – einmal mehr gegen den Wunsch seiner Frau – zur Tapferkeit, aber es scheint nicht allein das Gefühl einer moralischen Verpflichtung für sein Unfallopfer zu sein: es geht auch um sein Selbstwertgefühl als Herr im Haus, der sich (bald auch mit Gewalt) gegen seine Frau durchsetzt, der Grund und Boden verteidigt, der die permanent mitschwingenden Feigheitsvorwürfe ausräumt und mit jeder Tötung eines weiteren Eindringlings einem ekstatischen Blutrausch verfällt – auch wenn er erst zur Gewalt greift, als die Gegenseite eine erste Tötung verschuldet... Das legendäre, schockierende Finale wird effektiv montiert und gefilmt: Am beachtlichen Schnitt des Films, der fast avantgardisch, teils beinahe subliminalbildartig und vielfach mit irritierenden Sprüngen arbeitet, die Hollywood nouvelle-vague-geprägt um 1970 für sich entdeckte, arbeitete Roger Spottiswoode mit, der ab "Terror Train" (1980) seinerseits Regisseur wurde und unter anderem den Bond-Film "Tomorrow Never Dies" (2002) oder "Ripley Under Ground" (2005) ablieferte. Die im Finale beängstigend und beklemmend eingefangenen Bilder stammen indes von John Coquillon, der in den vier Jahren zuvor mehrere britische Horrorfilme fotografierte – angefangen mit "Witchfinder General" (1967), der ähnlich effektiv auf schräge Blickwinkel setzte und ebenfalls einen so befreienden wie zugleich bestürzenden Gewaltausbruch (eines Mannes vor den Augen seiner entsetzten Frau) ans Ende stellte. Die im Kino dieser Jahre immer stärker zunehmende Konzentration auf Gewalt – auf männliche Gewalt zumal, auch auf die Gewalt des US-amerikanischen Mannes – war etwas, was der Western-Größe Peckinpah gar nicht einmal so fern gelegen haben dürfte... auch wenn er vom zugrundeliegenden Roman Gordon Williams' anfangs nicht sonderlich überzeugt gewesen sein soll. 40 Jahre später wurde dieser erneut unter gleichem Titel "Straw Dogs" (2011) nochmals verfilmt: ein wenig bedeutsamer Mittelmaß-Film, der am 1. Dezember sein zehnjähriges Jubiläum feiern kann, sofern denn jemand mitfeiern will. Der Blick zum Peckinpah lohnt in jeder Hinsicht mehr, zumal der Film seit 2007 auch ohne Kürzungen hierzulande auf DVD erhältlich ist: Fassungseintrag von Qualen
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