Histoires extraordinaires (1968)
Welles, Visconti, Losey, Malle, Fellini und Vadim waren im Gespräch gewesen: Eine Vielzahl von Regisseuren, typisch für den gerade in den 60er Jahren so beliebten Omnibusfilm, welcher eine Spielart des Episodenfilms darstellte. Meist waren es italienisch-französische Produktionen, etwa "Le sept péchés capitaux" (1962), "Ro.Go.Pa.G." (1963), "Le streghe" (1967) oder "Amore e rabbia"; oft gesellten sich weitere Produktionsländer hinzu wie bei "Les plus belles escroqueries du monde" (1964) oder "Le plus vieux métier du monde" (1967). Italien und Frankreich dürfen aber zweifelsohne als die zentralen Länder des Omnibusfilm-Booms gelten.
1968 hatte dieser seine Hochphase schon wieder überschritten, was sich vermutlich erst im Rückblick wirklich wahrnehmen ließ. Gleiches gilt für die Welle der Poe-Verfilmungen, die Roger Corman und AIP mit "House of Usher" (1960) losgetreten hatten: Zugkraft besaß aber der Name noch immer, davon zeugten etwa die alternative Umbenennung von "Witchfinder General" (1968) in "Conqueror Worm" oder auch der eigentlich nur noch im Titel auf Poe Bezug nehmende "The Oblong Box" (1969). (AIP ließ die englische Fassung von "Histoires extraordinaires" dann auch konsequenterweise mit dem Poe-Fachmann Vincent Price synchronisieren.)
In dieses Umfeld fiel also 1968 auch "Histoires extraordinaires", wenngleich von den angefragten Regisseuren Welles, Visconti und Losey aus unterschiedlichen Gründen absprangen... Roger Vadim, offen für das Phantastische, aber vor allem auf das erotische Kino und Literaturverfilmungen spezialisiert, wählte sich die Geschichte "Metzengerstein"; Louis Malle übernahm die Doppelgängergeschichte "William Wilson" - hauptsächlich um sich die Finanzierung seines geplanten "Le souffle au coeur" (1971) zu sichern. Von besonderer Bedeutung war "Histoires extraordinaires" jedoch für ihren italienischen Kollegen Fellini, der nach "Giulietta degli spiriti" (1965) lediglich an seinem gescheiterten Herzensprojekt "Il viaggio di G. Mastorna" gearbeitet hatte, welches später immerhin in Drehbuchform, in Comicform und hierzulande auch noch als Hörspiel veröffentlicht worden ist und dessen Scheitern Fellini später zum Thema in seinem sehenswerten "Block-notes di un regista" (1969) machte. Für Fellini war das Angebot der französischen Produzenten eine willkommende Gelegenheit, endlich wieder schnell zu produktiven Dreharbeiten zu gelangen: Angeblich ohne größere Poe-Kenntnisse ließ er seine Assistentin Liliana Betti alles von Poe lesen und zusammenfassen, um dann "Never Bet the Devil Your Head" auszuwählen - es wurde (übrigens mit einer beachtlichen Arbeit von Kameramann Giuseppe Rotunno) die freieste Verfilmung, die vielen Kritikern auch schnell als die gelungenste erschienen war.
Herausgekommen ist ein von Episode zu Episode immer faszinierender werdendes Werk, das Erotik, Sadismus, Entsetzen und Satire vermengt und mit Brigitte Bardot, Alain Delon, Jane Fonda, Terence Stamp, Françoise Prévost, Peter Fonda, Polidor und Milena Vukotic großartig besetzt ist.
Lange Zeit schwer zugänglich, hat der am 10. Juni in Frankreich angelaufene Film mittlerweile diverse schöne Veröffentlichungen erhalten: Die schön gestaltete BluRay von arrow mit einem Essay von Tim Lucas (Fassungseintrag von Phileas) ist dabei ebenso zu empfehlen, wie die (auch als DVD erhältliche) dt. BluRay von Koch Media mit einem Booklet von Marcus Stiglegger: Fassungseintrag von Andy-O
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Heute ist übrigens auch noch Fellinis 15. Todestag… 🙁