Bad Lieutenant (1992)
Abel Ferraras Ruf hat seit Ende der 90er Jahre fraglos ziemlich gelitten, wenngleich nicht alle Filme des Spätwerks so schwach sind, wie es ihnen oft genug unterstellt wird. Seine Hochphase erlebte Ferrara aber zweifelsohne in den 80ern und vor allem in der ersten Hälfte der 90er Jahre - also während seiner bis 1996 währenden Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautoren Nicholas St. John. Nach einigen Amateur-Kurzfilmen und dem Porno "Seven Lives of a Wet Pussy" (1976) - größtenteils bereits mit St. John bewerkstelligt - erlangt Ferrara schließlich mit dem Independent-Film "Driller Killer" (1979) größere Popularität: Er selbst spielt die Hauptrolle eines erfolglosen Malers, der angesichts seiner privaten Probleme die aufgestauten Aggressionen in blutigen Amokläufen entlädt. Inhaltlich und stilistisch nimmt der Film bereits vorweg, was für Ferrara typisch werden sollte: eine rauhe, ungeschliffene Ästhetik, eine offene, freie Dramaturgie, eine religiöse Grundierung bei gleichzeitig höchst provozierenden, skandalträchtigen Motiven & Handlungen... (bloß die krude Splatter-Ästhetik sollte er später nie wieder in dieser Form aufgreifen.) Man sieht Ferraras Filmen an, dass ihr Regisseur vom Punk und vom Katholizismus gleichermaßen stark geprägt worden ist; und es verwundert auch nicht, dass der skandalträchtige Katholik Pasolini und der so exzessive wie produktive R. W. Fassbinder zu Ferraras großen Vorbildern zählen. Das Rape & Revenge-Drama "Ms. 45" (1981) setzt den Erfolg von "Driller Killer" fort und ermöglicht ein wesentlich höheres Budget und den Einsatz populärer Stars bei "Fear City" (1984). Es folgen zwei "Miami Vice"-Folgen, der Pilotfilm für "Crime Story" und vier kleine - teilweise fürs Fernsehen angefertigte - Thriller, ehe dann mit dem mit Christopher Walken und Laurence Fishburne besetzten "King of New York" (1990) die Phase der populärsten Arbeiten einsetzt, zu welchen neben "Bad Lieutenant" noch "Body Snatchers" (1993), "Snake Eyes" (1993), "The Addiction" (1995) und "The Funeral" (1996) zählen.
"King of New York" stieß bei seiner Premiere nicht gerade auf Zustimmung, hat sich im Laufe der Zeit aber zu einem der wichtigsten Ferraras gemausert. "Bad Lieutenant" - für welchen diesmal nicht St. John das Drehbuch schrieb, sondern "Ms. 45"-Hauptdarstellerin Zoë Lund und Ferrara selbst (und womöglich auch noch ein einstiger Freund Lunds) - erwies sich hingegen sogleich als gefeiertes Meisterwerk. Die Geschichte eines Cops, der längst seine Unschuld verloren hat, der Böses tut und nach Erlösung strebt, verbindet eindringlich gegensätzliche Extreme um eine ebenso krass verstörende wie anrührende Charakterstudie darzubieten, in der vor allem auch Hauptdarsteller Harvey Keitel besticht.
Kostengünstig ist der Film als relativ passabel ausgestattete BluRay von Arthaus zu bekommen: Fassungseintrag von dlh
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