Mia aiwniothta kai mia mera (1998)
Nachdem es über "To Vlemma tou Odyssea" (1995) in Cannes zum Eklat kam – schließlich ging der Hauptpreis zu Angelopoulos' Enttäuschung an den thematisch verwandten, aber in Stil und Haltung gänzlich anderen Balkan-Film von Emir Kusturica, "Underground" (1995)! –, erhielt der im Mai 1998 dort uraufgeführte – und am 13. November 1998 in Angelopoulos' Heimat auf dem Thessaloniki International Film Festival gezeigte – "Mia aiwniothta kai mia mera" die Palme d'or. Auch für den Hauptdarsteller Bruno Ganz, der für den angedachten, aber im Vorfeld verschiedenen Marcello Mastroianni eingesprungen war, war es ein bedeutender Film, lieferte er ihm doch eine gewichtige Altersrolle, in der er über Erinnerung und Abschiednehmen sinnieren darf. Es war der letzte Teil einer losen Trilogie, der Trilogie der Grenze: Für die Grenze findet er einmal ein emblematisches Bild... zwei unterschiedliche, aber doch einander verbundene Figuren vor einem Zaun, in dem erstarrte Leiber hängen, derweil sich ein Grenzposten bedrohlich nähert. Die gealterte, kranke Hauptfigur hat zeitlebens aber die Arbeit als Schriftsteller, als Übersetzer sogar, von seinen Nächsten getrennt: Wer etwas wünscht, muss anderem entsagen. Am Lebensende taucht dann die große Frage nach der Ausgewogenheit der Prioritäten auf. Aber auch Diktatur und Exil haben dabei den Lebensweg bestimmt; ein Schicksal, dass er sich mit Dionysios Solomos teilt, dessen Werk er unermüdlich zu übertragen versucht. Bei der Reise durch sein Leben und die Literatur, die so großen Raum eingenommen hatte, hin zum Elternhaus, das längst vor dem Abriss steht, stößt diese Figur auf einen Flüchtlingsjungen aus Albanien, dem er gegenüber Polizei und Menschenhändler Beistand gewährt. Mit langen Plansequenzen fertigt Angelopoulos eine stilisierte, altersweise Allegorie über Verbindendes und Trennendes, deren Form auch teils harsch (als Prätention und Elendstourismus) kritisiert wurde. Auch ein Hang zur Wiederholung, zur Selbstkopie, schimmert deutlich durch. Zugleich funktioniert der gemeinsam mit Tonino Guerra geschriebene und einmal mehr von Eleni Karaindrou musikuntermalte "Mia aiwniothta kai mia mera" als nahbarer Einstiegsfilm des griechischen Meisterregisseurs, der Vorzüge seines Schaffens bündelt und – vielleicht ein wenig plakativ – an eine Geschichte des Annäherns koppelt.
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