Unagi (1997)
Shôhei Imamura gehört zu den großen Namen von Japans neuer Welle, der nuberu bagu. Wie viele Kollegen bleibt auch Imamura bei eingefleischten Cineasten mit filmgeschichtlichem Interesse vor allem für die Filme aus dieser Phase der 60er Jahre in Erinnerung. Wie viele Kollegen erlebt auch Imamura in den 70er Jahren eine kritische Phase, die sich bei ihm in aller Deutlichkeit zeigt: Mit "Nippon sengoshi: Madamu onboro no seikatsu" (1970) beginnt für den Filmemacher eine ganze Dekade voller Dokumentarfilme, in aller Regel für das Fernsehen produziert. Erst mit "Fukushû suru wa wareniari" (1979) meldet er sich wieder mit einem Spielfilm zurück: und wie nur wenige Nuberu-bagu-Kollegen – darunter vor allem Oshima – wird Imamura auch international wieder registriert und kann erfolgreich, wenngleich mit verminderter Frequenz hinsichtlich des outputs, an die frühere Karriere anknüpfen, ist beim weniger filmhistorisch interessierten Publikum vor allem für seine späten Werke bekannt, die mit "Fukushû suru wa wareniari" einsetzten: vor allem für "Narayama bushiko" (1983), der eine Palme d'Or erhielt, für "Kuroi ame" (1989) und für den nach längerer Pause entstandenen, am 12. Mai in Cannes uraufgeführten und dort ebenfalls mit einer Palme d'Or ausgezeichneten "Unagi", dem dann in rascher Folge noch zwei Langfilme und ein Kurzfilm für "11'09''01 - September 11" (2002) folgen. Mit diesem Kompilationsfilmbeitrag beschließt Imamura sein Lebenswerk. Vier Jahre später erliegt er dann seinem Krebsleiden.
"Unagi" erzählt – mehr noch als "Narayama bushiko", der über eine ebenfalls ungewöhnliche, aber auf einem nationalen Mythos fußende Geschichte verfügt –, eine etwas eigenwillige Geschichte. Mit "Akai hashi no shita no nurui mizu" baute er ungewöhnliche Prämissen und Motive noch einmal aus. Erzählt wird in "Unagi" von einem Mörder aus Eifersucht, der seine Frau erstochen hat. Im Gefängnis kümmert er sich über längere Zeit um einen Aal, dem er nach seiner Entlassung seine Aufmerksamkeit widmet. Nachdem er einst ein Leben genommen hat, kann er nun eines Tages ein Leben retten, als er eine Frau vor dem Selbstmord bewahrt. Das könnte schon früh der Beginn einer neuen Liebesbeziehung werden, aber der einstige Mörder mag sich darauf noch nicht einlassen. Es wird die Attacke eines Dritten sein, die es ihm und der gescheiterten Selbstmörderin ermöglich wird, zusammenzukommen: verbunden mit dem Opfer einer guten Tat, verbunden auch mit der Entlassung des Aals in die Freiheit. Die etwas parabelhafte Struktur des Films, seine fast schon aufdringliche Symbolik und die große Bandbreite zwischen blutigem Mord und reiner Liebe zeichnen das originelle Spätwerk aus, das nach dem Erfolg in Cannes gehörig Verbreitung erfahren hat. Neben "Akai hashi no shita no nurui mizu" passt dieser Imamura auch zum Klischee eines japanischen Kinos, das sich durch Skurillität auszeichne (und letztlich bloß das eine Extrem der japanischen Filmkultur ausmacht), was zur Beliebtheit des Film beigetragen haben mag. Takashi Miike, der sich etwas eher solch einem skurillen Filmschaffen verschrieben hat, war in seinen frühen Jahren ein Schüler der späten Imamura. Ein Film wie "Unagi" lässt erkennen, dass es zwischen ihnen durchaus eine Verbindung im Geiste gegeben haben dürfte.
Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen des Regisseurs liegt "Unagi" auch hierzulande (bei Alamode Film) auf DVD vor: Fassungseintrag von Rubber Johnny
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