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von ratz

Vor 50 Jahren: Ein aufwühlender Dokumentarfilm aus dem Studio H&S

Stichwörter: 1960er DDR DEFA Deutschland Dokumentarfilm Dokumentation Heynowski Interview Jubiläum Klassiker Müller Propaganda Scheumann Studio H&S

Der lachende Mann - Bekenntnisse eines Mörders (1966)

Ganz so kalt, wie der Name es suggeriert, war der Kalte Krieg nie: Mögen die Hauptakteure und ihre unmittelbaren Satellitenstaaten auch von offenen gewaltsamen Konflikten verschont geblieben sein, so waren sie doch stets in geopolitische Stellvertreterkriege verwickelt, die dann sehr wohl zahlreiche Menschenleben kosteten. Einer dieser Konflikte, die Simba-Rebellion in der Demokratischen Republik Kongo, befeuerte wiederum eine weitere Front des Kalten Krieges, nämlich die der Medien, die auch und gerade entlang der deutsch-deutschen Grenze verlief. Auf diesem Gebiet erzielten 1966 die DEFA-Dokumentarfilmer Walter Heynowski und Gerhard Scheumann einen wichtigen Geländegewinn, als sie am 9. Februar ihren Interviewfilm „Der lachende Mann“ ins DDR-Fernsehen und wenige Wochen später in die Kinos brachten.

Heynowski und Scheumann war es gelungen, den bundesdeutschen Söldner Siegfried Müller, genannt „Kongo-Müller“ und zum Interviewzeitpunkt bereits ein internationales Pressephänomen, vor die Kamera zu bekommen und zu seinen Kampfeinsätzen im Kongo zu befragen. Major Müller, im Tarnanzug und das Eiserne Kreuz auf der Brust, dabei sympathisch, leutselig und fast durchgängig mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, entfaltet seine Biographie, seine Weltsicht und seine Reflexionen über die Ermordung afrikanischer Rebellen auf eine Weise, die der politisch-agitatorischen Absicht der Filmemacher ideal in die Hände spielte: Hier präsentierte sich freimütig und reuelos ein Werkzeug des Imperialismus und Neokolonialismus, das seine Grausamkeiten im Dienste des Antibolschewismus und der freiheitlichen Demokratie des Westens sah und sogar den deutschen Angriffskrieg auf die Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs, an dem Müller als Wehrmachtssoldat teilgenommen hatte, in die Tradition der Verteidigung Europas stellte.

Sparsam, aber prägnant fallen dann die eindeutig propagandistischen Einschübe seitens Heynowski und Scheumann aus, die nach etwa 20 Minuten reinen Interviewmaterials einsetzen und die Aussagen Müllers mit Erläuterungen, Fotos, Wochenschaumaterial und kriegerischen Soundeffekten (z.B. Gewehrsalven) konterkarieren oder triumphierend kommentieren. Solche Methoden widersprechen freilich dem Ideal eines neutralen Journalismus und haben den Regisseuren berechtigte Kritik eingetragen, ebenso wie die dubiosen Umstände, unter denen das Interview zustandekam: Müller waren stattliche 10.000 Mark Honorar geboten, die wahre Herkunft seiner Gesprächspartner jedoch verschwiegen worden. So ist „Der lachende Mann“ noch immer ein schillerndes Zeitzeugnis hinsichtlich westlicher geopolitischer Praxis, östlicher Propagandatechniken, deutscher Militärkarrieren über den Zweiten Weltkrieg hinaus wie auch des deutsch-deutsche Verhältnisses während des Kalten Krieges (in der BRD durfte der Film zunächst nicht aufgeführt werden).

Dem Schaffen von Heynowski und Scheumann, die bald nach dem Erfolg des „Lachenden Mannes“ ihr DEFA-unabhängiges und über Jahre erfolgreiches „Studio H&S“ gründeten, ist beim Label absolut-Medien eine umfassende und kritisch edierte DVD-Box gewidmet, die natürlich auch den "Lachenden Mann" enthält (Fassungseintrag von noface). Damit ist ein wichtiges und einflußreiches Kapitel des deutschen politischen Dokumentarfilms, hier mit deutlicher ideologischer Ausrichtung, endlich zugänglich gemacht worden.


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