Bereits mit ihrem dritten Spielfilm begannen die Brüder Joel und Ethan Coen eine Spur zu verfolgen, die bis heute ihr gesamtes Œuvre durchzieht und es vielleicht sogar bestimmt: Die Beschäftigung mit der US-amerikanischen Geschichte. „Miller’s Crossing“, der seine Kinopremiere am 21. September 1990 feierte, kann als ein bereits ziemlich ausgereifter Prototyp des spezifischen Coenschen Zugriffs gesehen werden: Der Film ist das Portrait einer geschichtlichen Epoche, erweist zugleich der Filmgeschichte seine Referenz (hier durch das Bedienen bestimmter Genrestandards) und ist außerdem eine scharfsichtige Milieustudie. Natürlich fehlt nicht der inzwischen zum Markenzeichen des Drehbuchautoren- und Regieteams gewordene sarkastische Humor, der in den ausgefeilten Dialogen und unerwarteten Wendungen des Plots zum Tragen kommt.
Das Vorbild für die Figur von Tom Reagan (Gabriel Byrne mit hartem irischen Akzent) könnte direkt einem Roman des Hardboiled-Autoren Dashiell Hammet entsprungen sein: Er ist ein kalkulierender Einzelgänger, der am liebsten aus dem Hintergrund auf seinen Freund und Gangsterboss (Albert Finney) einwirkt, jedoch auch ein Verhältnis mit dessen Geliebter hat. Als dieses auffliegt, stolpert Reagan über seine eigene Cleverness bei dem Versuch, bei einer rivalisierenden Bande anzuheuern und doch seinem ehemaligen Arbeitgeber und nicht zuletzt sich selbst treuzubleiben. Das Bild, das die Coens von den kriminellen Kreisen sowie von der amerikanischen Gesellschaft während der Prohibition zeichnen, könnte zynischer nicht sein: Jeder ist sich selbst der Nächste, sämtliche Autoritäten sind derart korrupt, daß der Begriff Ethik ausgerechnet von einem Kriminellen vereinnahmt und damit ad absurdum geführt wird.
In seiner abgeklärt-melancholischen Grundstimmung verneigt sich „Miller’s Crossing“ vor dem klassischen Gangsterfilm der 1930er sowie vor dem Film Noir der 1940er Jahre, Barry Sonnenfelds zurückhaltende Kamera liefert die passenden stimmungsvollen, schattigen Bilder in gedeckten Farben. Es sollte nicht der letzte Besuch der beiden Regisseure in diesem Genre bleiben: Während „The Man Who Wasn’t There“ (2001) noch einmal direkt den Film Noir zitiert, begeben sich Coen-Filme immer wieder in gefährliche, kriminelle Welten – die Geschichte der US-Gesellschaft ist aus dieser Perspektive vor allem eine Geschichte der Gewalt und des Verbrechens. Es ist jedoch die große Kunst der Coens, die dunkle Kehrseite des Amerikanischen Traums zu benennen, ohne diesen zu desavouieren.
„Miller’s Crossing“ mag in manchen Details noch etwas ungeschliffen wirken, läßt aber die heute so bekannte und beliebte Handschrift seiner Schöpfer jeden Moment erkennen. Entsprechend ist der Film für den Hausgebrauch in verschiedenen DVD- und Blu-ray-Fassungen erhältlich, doch da sich die Coens (wie so oft) mit reflektierenden Aussagen zu ihren Arbeiten zurückhalten, muß sich der interessierte Leser an die Stimmen der Kritiker halten. Die sind in der Mehrzahl des Lobes voll, so auch die OFDb-Kritik von Professor Moriarty.
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