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von PierrotLeFou

Vor 100 & vor 75 Jahren: W. W. Jacobs’ berühmteste Kurzgeschichte als mittellange Spielfilmkost

Stichwörter: 1920er 1940er Drama Großbritannien Haynes Horror Jacobs Jubiläum Klassiker Lee Literaturverfilmung Marriott Phantastik Spielfilm Stummfilm

The Monkey's Paw (1923) & The Monkey's Paw (1948)

Im "Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes" (1811) und in Ludwig Bechsteins "Neuem deutschen Märchenbuch" (1856) fand sich unter anderem das Märchen von den drei Wünschen in unterschiedlichen Variationen. W. W. Jacobs machte mit "The Monkey's Paw" (1902) eine makabere Kurzgeschichte daraus, die den Humor auf den Umstand der unbedachten Wünsche reduziert und deren Erfüllung in die Gefilde der horror story überträgt: Eine Affenpfote aus Indien soll als wunscherfüllender Glücksbringer einem britischen Pärchen und ihrem Sohn Gutes tun, gleichwohl der Vorbesitzer dringlich warnt. Der erste Geldwunsch erfüllt sich auf grausame Weise: Es wird die Entschädigung sein, welche die Arbeitgeber des Sohnes den Eltern zukommen lassen, nachdem dieser von seiner Maschine erfasst worden ist. Der Wunsch der Mutter, der Sohn möge wieder bei ihnen sein, führt zu einem beängstigenden Klopfen an der Haustür in der Nacht. Ob es tatsächlich der zurückgekehrte tote Sohn ist, bleibt offen. Mit dem dritten geäußerten Wunsch durch den Ehemann und Vater verstummt jedoch das Klopfen in der Nacht.
Zur Zeit des frühen Stummfilms mag der Stoff eine dankbare Vorlage für die damaligen Filmlängen gehabt haben; bei späteren Konventionen von 80 bis 120 Minuten wirkte der Stoff allerdings etwas mager und so verwundert es nicht, dass Jacobs' Erzählung in den letzten 60 Jahren vor allem als TV-Serienfolge oder Episodenfilm-Bestandteil Verwendung gefunden hat.  Während der Ära des klassischen Kinos, als 60-, 70-Minüter durchaus üblich waren, lassen sich aber noch ein paar mittellange Spielfilme finden, die "The Monkey's Paw" auf die große Leinwand brachten.
Nach der (vermutlich verschollenen) Erstverfilmung "The Monkey's Paw" (1915) und einer zweiten, als verschollen geltenden Verfilmung aus dem Jahr 1919, deren Regisseur nicht überliefert ist, entstand ebenfalls in Großbritannien eine dritte Verfilmung gleichen Titels, die im Februar 1923 erstmals zu sehen gewesen ist. Diese Verfilmung von H. Manning Haynes besaß mit ihren 1740 Metern Länge bei (mir) nicht bekannter Bildfrequenz eine Länge, die unter der von beispielsweise der eher kurzen Komödie "Safety Last!" (1923) liegt. Die Verfilmung soll nicht verschollen sein, befindet sich aber scheinbar auch nicht im Umlauf. Glaubt man den wenigen Besprechungen des Films, so hält sich dieser recht eng an die Vorlage, was die Uneindeutigkeit des mutmaßlich Übernatürlichen betrifft: Wer da eigentlich klopft, soll hier nicht zu sehen sein. Moore Marriott, der hier – gerade einmal 38-jährig – das Familienoberhaupt spielt, ängstigt sich hier aber freilich ebenso wie sein literarisches Vorbild.
Am 23. August 1948 kommt dann – nach zwei Radio-Hörspiel-Versionen und nachdem Wesley Ruggles und Ernest B. Schoedsack 1933 eine knapp einstündige RKO-Version vorgelegt hatten – eine weitere britische Verfilmung in die Kinos: Wie die RKO-Version und mutmaßlich auch die 1923er-Version läuft auch Norman Lees Film bloß eine knappe Stunde. Die Wunscherfüllungen fallen dann allesamt in die letzten 15 Minuten, zuvor bemüht sich der Film um eine ausgiebige Einführung der Figuren sowie um eine Aura des Geheimnisvollen und Bedrohlichen, welche die Affenpfote umgeben soll: dunkle Nachtszenen und flüchtige Erwähnungen von E. A. Poes Erzählungen sollen zu diesem Zweck ihren Beitrag leisten. Dramaturgisch wird der Stoff hier etwas ausgebaut und gedehnt, zum Höhepunkt hält sich der Film dann wieder an Jacobs: Kerzenlicht und Blitze in der Gewitternacht, in der eventuell der tote Sohn zurückgekehrt sein könnte, durchbrechen die dominierende Schwärze hier, vergleichsweise hohe Schnittfrequenzen bringen eine Dynamik ins Geschehen, die Kamera bleibt jedoch weitestgehend bei den beiden Alten, lässt nur zu Beginn nach der Wunschäußerungen Bilder der äußeren Umgebung zu, in der aber keine Eindeutigkeiten bezüglich des nächtlichen Besuchers zu sehen sind; wenn auch das einsetzende Blitzen und Donnern mit dem geäußerten Wunsch einherzugehen scheint. Die Konsequenz, mit der die frühen Filme an der Vorlage bleiben, ist nicht selbstverständlich: Die deutsche Serie "Gespenstergeschichten" (1985) etwa lässt eindeutig eine nicht alltägliche Figur durch die Unwetternacht zum Elternhaus schlurfen und poltern...


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