F for Fake (1973)
Das einstige Hollywood-Wunderkind Orson Welles hatte der amerikanischen Filmindustrie in den 1950er Jahren den Rücken gekehrt und lebte und arbeitet seitdem in Europa, und selbst wenn viele seiner Projekte nicht vollendet werden konnten, so war das, was schließlich auf die Kinoleinwände oder Fernsehbildschirme kam, genau so, wie Welles es wollte, ohne Zugeständnisse an die Geldgeber oder den Publikumsgeschmack. Das trifft auch auf seinen letzten von ihm selbst herausgebrachten Kinofilm „F for Fake“ zu, der im September 1973 anlief, wenig Zuspruch an den Kinokassen hatte und erst Jahre später gewürdigt wurde.
Mit „F for Fake“ betritt Welles das für ihn neue Gebiet des Essayfilms – natürlich kaum vergleichbar mit anderen Essayfilmen der 70er Jahre, denn Orson Welles war viel zu sehr daran interessiert, seine schillernde Persönlichkeit mit einzubringen. Mit dem Dokumentar- oder Reportagenformat hatte er viel Erfahrung, sowohl für Radio als auch für Fernsehen (z.B. den Europa-Reisebericht „Around the World with Orson Welles“, 1955 – natürlich durfte sein Name im Titel nicht fehlen). Und so tritt Welles in „F for Fake“ gleichsam als Conferencier und Erzähler eines Filmes über Fälscher und Scharlatane auf, etwa zu Beginn im Gewand eines Zauberkünstlers als Verweis darauf, daß in den nächsten knapp 90 Minuten nicht immer alles so sein würde, wie es scheint. Nachdem Welles zunächst über den Kunstfälscher Elmyr de Hory, dann über Literaturfälscher Clifford Irving berichtet, nimmt er sich selbst als Showman, Täuscher und Scharlatan in den Blick und bezieht sich vor allem auf seinen berühmten Radio-Coup „War of the Worlds“ von 1938, als viele Zuhörer seines Hörspiels glaubten, es seien tatsächlich Aliens in den USA gelandet. Die letzten etwa 25 Minuten widmet Welles seiner langjährigen Partnerin und Geliebten Oja Kodar, um die er in eine Kunstfälschergeschichte herumspinnt, deren Auflösung natürlich von Anfang an klar ist und die Prämisse des Films untermauert. Denn „F for Fake“ verhandelt auf originelle und geistreiche Weise das Wesen des Kunstmarktes, die ungeschriebenen Vereinbarungen zwischen Künstlern, Kunstexperten und Käufern und das geschickte Jonglieren von Fälschern in diesem gewinnträchtigen Geschäft. Dabei bedient sich Welles einer schnellen, komplexen Montage verschiedener Filmmaterialien (er verbrachte wohl ein komplettes Jahr in mehreren Schneideräumen) und spricht ein durchgehendes, von O-Tönen unterbrochenes Voiceover. Welles geht in seiner Darlegung nicht stringent oder akademisch vor, sondern lustwandelt im Plauderton durch die Kunst(fälscher)geschichte, oft mit zweifelndem, amüsiertem oder augenzwinkerndem Blick in die Kamera.
Am beeindruckendsten sind die stillen, nachdenklichen Momente in „F for Fake“, in denen Welles über das Wesen von Kunst und ihren Wert, über das Konstrukt Autorenschaft reflektiert. Der stets umtriebige Autor/Regisseur/Schauspieler/Produzent zeigt sich hier auf der Höhe seiner intellektuellen Gewandheit und seines verführerischen Charismas, er bedient sich der speziellen filmischen Form mit bewundernswerter Souveränität und verwandelt sie zugleich seinem persönlichen Stil an. Der Verlag Zweitausendeins hat diesen neben "Citizen Kane" (1941) vielleicht wichtigsten Welles-Film als gut ausgestattete DVD im Angebot (Fassungseintrag), das englischsprachige Ausland bietet auch eine Blu-ray-Ausgabe (Fassungseintrag).
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