La rupture (1970) & Le cérémonie (1995)
Anfang 1970 hatte Claude Chabrol mit dem Thriller "Le boucher" (1970) einen seiner bis heute bekanntesten Filme abgeliefert. Am 26. August desselben Jahres brachte er dann den deutlich weniger beachteten "La rupture" in die Kinos, ein Mix aus Melodram und Thriller, der vor grellen Effekten sowie vor grotesken oder surrealen Spitzen nicht zurückschreckt und wie so viele Chabrols ein ätzendes Bild der Gesellschaft zeichnet: Ein Familienvater attackiert gleich zu Beginn heftig seine Gattin und versehrt dabei auch seinen kleinen Sohn. Es kommt zur Trennung, doch die Eltern des Mannes wollen ihrer ungeliebten Schwiegertochter das Sorgerecht für den Sohn aberkennen lassen – und heuern zu diesem Zweck einen Typen an, der für seinen eigenen Vorteil der Schwiegertochter einen lasterhaften Leumund anhängen soll. Es steckt viel drin in "La rupture": Häusliche Gewalt, Besitzansprüche, die Macht des Geldes, die Verführbarkeit der Menschen. Und Chabrol, der diesen Film selbst als seinen Versuch bezeichnete, einmal ein echtes Melodram zu inszenieren, macht aus Überzeichnung und Pathos keinen Hehl, wobei auch "La rupture" letztlich ein Chabrol bleibt: also unterkühlt... Bretzelburger betont diese Kühle in seinem lesenswerten Review.
Fast exakt 50 Jahre später, am 30. August 1995, legte Chabrol "La cérémonie" vor, der – nach einem schon zuvor verfilmten Roman von Ruth Rendell – ebenfalls nicht vor drastisch-grellen Bildern zurückschreckt: Sophie, das Dienstmädchen einer wohlhabenden Familie, hat wie auch ihre Freundin ein dunkles Geheimnis, das sie mit sich herumträgt. Im Zusammenspiel zwischen beiden Frauen und in den Differenzen zwischen ihnen und der Familie, bei der Sophie angestellt ist, ruht eine Gemengelage, die schließlich einen kruden Amoklauf hervorbringen wird. Mit dem Eindringen zweier gefährlicher Frauen in das Leben einer Familie scheint Chabrol auf den ersten Blick Gefahr zu laufen, das Problem zu externalisieren, es in zwei Außenseiterinnen zu verlagen und nicht mehr ins Innere der Gesellschaft selbst; doch zeigt sich schnell, dass vor allem die Unvereinbarkeit von Lebensstilen, die Differenz von Bildung, Wohlstand, Geld und Luxus, einen Rahmen erzeugt, in dem Eskalationen erst heraufbeschworen werden. Dazu gehört auch das scheinbar wohlmeinende Verständnis: "Sie sei nun einmal so", verteidigt die Gattin des patriarchalischen Familienoberhaupts das Dienstmädchen mit einem Verweis auf ihre geringere Intelligenz, als sich der Herr im Haus über deren Nachlässigkeit in manchen Dingen beschwert; man könne sie nun einmal nicht ändern. Mit dieser Meinung behauptet eine finanziell bestens gestellte, durchweg bourgeoise Figur eine Natürlichkeit der Ordnung, die sich eh nicht ändern lasse. Unterdrückung tarnt sich hier als Verständnis. Und es mag auch bei früheren Vergehen im Leben der Frauen ähnliche Rahmen gegeben habe. Insofern ist dieser Chabrol-Klassiker weniger ein Film über hierzulande titelgebende "Biester", sondern ein Film über die "cérémonie" des Originaltitels: Die Zeremonie liegt im Missverstehen zwischen den Schichten und den nachfolgenden bösen Gefühlen, die sich manchmal in als Neiddebatten diskreditierte Gerechtigkeitsdebatten, manchmal aber eben auch in Rachsucht und Gewalt niederschlagen. Neben Isabelle Huppert – die mit ihrer Kühle eine perfekte Chabrol-Darstellerin ist –, Sandrine Bonnaire, Jean-Pierre Cassel und Jacqueline Bisset ist hier auch noch einmal Michel Piccoli in einem Chabrol zu sehen: Als Fernsehbild, entnommen aus Chabrols "Les noces rouges" (1973)...
Mehr verrät niklas90 in seinem Review...
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