Beitrag

von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Dziga Vertovs Kinoglaz-Film

Stichwörter: 1920er Agitationsfilm Dokumentarfilm Jubiläum Klassiker Propaganda Russland Sowjetunion Stummfilm Vertov


Kinoglaz (1924)
Dziga Vertov gründete 1923 die Gruppe Kinoglaz. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits seit fast sechs Jahren, seit der Oktoberrrevolution, Regieerfahrung als Schöpfer sogenannter Agitki vorzuweisen, galt aber wegen seiner Arbeitsweise ohne Drehbuch als unberechenbarer Filmemacher. Als Theoretiker und Essayist polemisierte er zudem wiederholt gegen den traditionellen Spielfilm und das Unterhaltungskino. Mit dem Kinoglaz-Manifest setze er sich für einen kinematografischen Blick, ein Kino-Auge, das dem organischen, manschlichen Auge unermesslich überlegen sei und mit dessen Perfektionierung man den Blick schärfen wollte. Vertovs Filmreihe "Kino pravda" war seit 1922 nicht ohne Widerspruch und Gegenwind aufgenommen worden. Er selbst definierte sie indes als Wendepunkt in der russischen Kinematografie, wobei auch die weniger gelungenen "kino pravda"-Beiträge die Idee vom Kinoglaz geschärft hätten. Der am 31. Oktober 1924 uraufgeführte "Kinoglaz" sollte als erster Teil von insgesamt sechs Filmen eine Erkundung des Lebens vorantreiben, mit den Mitteln des Kino-Auges, das er mehr und mehr mit seinen Mitstreitern, den Kinoki, zu entfesseln gedachte. Eine Erkundung des Lebens im Leninismus freilich, wobei Vertov – abermals ohne festes Drehbuch – Material zu allen Facetten dieses Lebens sammelte und es enorm dynmiasch in Form brachte: Möglichkeiten der Perspektive, der Montage und der Umkehr des Ablaufs wurden ausgereizt; im Blick stets Plakate voller Werbung oder Propaganda, sowie vor allem die Jugend, insbesodnere die Pioniere; auch auf die Erwachsenen – zwischen Arbeit einerseits, Freizeit andererseits – blickt "Kinoglaz". Das Ergebnis ist ein schon zur Uraufführungszeit nicht ganz klar zu entschlüsselndes Kaleidoskop der teils widerstrebenden Eindrücke, das beim Publikum noch dazu wenig anklangt: im Gegensatz zu "Shestaya chast mira" (1926), für den der ambitionierte Langfilm "Kinoglaz" ein wichtiger Schritt war.
Als Bonusmaterial liegt Vertovs Klassiker bei Eureka der Dual-Format-4-Disc Edition von "Chelovek s kino-apparatom" (1929) bei: Fassungseintrag von Venom138



Kommentare und Diskussionen

  1. Noch keine Kommentare vorhanden

Um Kommentare schreiben zu können, müssen Sie eingeloggt sein.

Registrieren/Einloggen im User-Center

Details