Foreign Correspondent (1940)
Wer dachte, der Riesenerfolg von „Rebecca“ bei Publikum und Kritik wäre für Alfred Hitchcock das Ticket für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit seinem Produzenten David O. Selznick gewesen, der irrte. Selznick verfolgte nämlich andere Pläne und lieh den Regisseur an seinen Kollegen Walter Wanger aus, für den dieser in Form eines Propagandafilms seinen eigenen Beitrag zum jüngst ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg leisten sollte. Gleichzeitig bot „Der Auslandskorrespondent“ – oder „Mord“, wie er im deutschen Sprachraum einst getauft wurde – Hitchcock die Gelegenheit, zu dem Sujet zurückzukehren, das er so liebte: Ein unbescholtener Mann stolpert unbeabsichtigt in eine heikle, bald auch für ihn lebensgefährliche Situation.
In diesem Fall dreht sich alles um den amerikanischen Journalisten Johnny Jones (Joel McCrea), der unter dem Decknamen Huntley Haverstock nach Europa fliegt, wo er von dem niederländischen Politiker Van Meer (Albert Bassermann) die Informationen zu einer Geheimklausel beschaffen soll, die unmittelbar mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu tun haben. Prompt wird er Augenzeuge eines Attentats auf Van Meer und sieht sich alsbald mit einer großen Verschwörung konfrontiert, die er für eine heiße Story aufzudecken beabsichtigt.
Die Klausel als MacGuffin, ein weibliches Love Interest, Suspense, ein atemberaubendes Finale mit einem unglaublich gut inszenierten Flugzeugabsturz – auch in „Der Auslandskorrespondent“ sind sämtliche Zutaten dabei, die man von einem prototypischen Hitchcock erwarten kann. Trotzdem nimmt er in der Vita des Regisseurs einen untergeordneten Stellenwert ein. Dies hängt womöglich mit der weniger bekannten Besetzung zusammen: Joel McCrea verfügt nicht über die Strahlkraft eines Robert Donat oder Cary Grant, Laraine Day nicht über das Format einer Madeleine Carroll oder Eva Marie Saint. Dahingegen ist Herbert Marshall als Stephen Fisher einer von Hitchcocks typisch ambivalenten Schurken und stellt nicht einen Stereotypen dar, sondern erhält genügend Charakter, um dem Zuschauer nicht gänzlich unsympathisch zu erscheinen.
Fast ganz flach fällt die Vermittlung politischer Botschaften, wie sie von einem Propagandafilm eigentlich zu erwarten sind, was „Der Auslandskorrespondent“ gewiss nicht zum Nachteil gereicht. Nur der merklich angetackerte Schluss trägt sehr dick auf und befürwortet den Eintritt der USA in den Krieg, aber zuvor hat sich Hitchcock vor allem auf eine spannende Geschichte mit einigen erinnerungswürdigen Szenen konzentriert, für die er übrigens nur wenige Fragmente aus der Vorlage, Vincent Sheeans autobiographischem Roman „Personal History“, verwendete.
Der am 16. August 1940 uraufgeführte Film kam erst 1961 in einer um fast 20 Minuten geschnittenen Fassung in die deutschen Kinos, die neben den Kürzungen nicht nur den seinerzeit als zu heikel interpretierten Inhalt leicht verfälschte, sondern auch eine neue Musikuntermalung erhielt. Im ZDF wurde 1986 erstmals die vollständige Version in einer neuen und durchaus akkuraten Synchronisation gezeigt. Seitdem wird bei den seltenen TV-Ausstrahlungen darauf zurückgegriffen.
Gemeinsam mit anderen weniger beachteten Filmen Hitchcocks liegt das Werk in der schmucken Master of Suspense-Box von Arthaus/Kinowelt vor: Fassungseintrag von Vince
Ein Beitrag von Stefan M
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