Proekt inzhenera Prayta (1918)
Bekannter als Lev Kuleshov, bekannter als die Filme Kuleshovs ist sicherlich der Kuleshov-Effekt, der auch außerhalb cineastischer Kreise den meisten ein Begriff ist - und darin besteht, dass Rezipienten bei der Deutung einer Aufnahme durch die Kontextualisierung durch eine vorangegangene/darauffolgende Aufnahme maßgeblich beeinflusst werden. Für das sowjetische Kino und die Filmgeschichte insgesamt waren Kuleshovs Untersuchungen zur Montage von großer Bedeutung, wenngleich die Erkenntnis des Kuleshov-Effekts heutzutage eine Selbstverständlichkeit darstellt.
Und so bildet dann auch Kuleshovs Regiedebüt "Proekt inzhenera Prayta" die Umbruchstelle des russischen Kinos zwischen dem vorrevolutionären Kino eines Yevgeni Bauer, für welchen Kuleshov als Darsteller und Ausstatter tätig war, und den sowjetrussischen Klassikern von Vertov oder Eisenstein. Noch von einem privaten Studio im Frühsommer 1918 produziert, ist dieser Debütfilm seiner Zeit - nicht nur in Russland - weit voraus: Weniger die abenteuerliche Geschichte des fortschrittlichen Ingenieurs Pright, dessen Ideen zur Energiegewinnung aus Torf und dessen Ideal "Strom für alle!" mit den Interessen der Erdölgesellschaften kollidieren, sondern die für damalige Zeiten rasante Schnittfrequenz, die Groß- & Nahaufnahmen an Halbtotalen & Totalen reiht und zwischen den Schauplätzen hin und her springt, revolutionierte das russische Kino, was sich eher im kritischen Rückblick zeigte. Nahmen die Schnittfrequenzen von Amerika über Westeuropa bis Russland ihrerzeit doch beständig ab, so ist die Rasanz der Montage, die in "Proekt inzhenera Prayta" noch den amerikanischen Film jener Jahre gehörig überflügelt, ganz besonders bemerkenswert. Montage sorgt hier für den Rhythmus des Films und erreicht gerade während der kleinen Actionsequenz im Mittelteil beinahe Ausmaße, wie man sie später bei Vertov oder heutzutage im Action-Mainstreamfilm vorfinden kann. Anders als Vertovs Filme, selbst noch anders als Eisensteins Filme ist "Proekt inzhenera Prayta" ein aus heutiger Sicht jedoch weitgehend konventionell anmutender Film geworden, der weniger auf Kontraste und assoziative Sprünge setzt, sondern abgesehen von einigen Parallelmontagen die räumlichen Einheiten weitgehend wahrt. Vielleicht führt das dazu, dass man Kuleshovs Debüt schnell unterschätzt, wenn man nicht mit dem filmischen Umfeld jener Jahre einigermaßen vertraut ist. Zugegebenermaßen sind spätere Kuleshovs wie "Neobychainye priklyucheniya mistera Vesta v strane bolshevikov" (1924), der fragmentarisch erhaltene "Luch smerti" (1925) und vor allem sein Meisterstück "Po zakonu" (1926) insgesamt die überzeugenderen Filme, aber sein Debütfilm ist allein aus filmhistorischen Gesichtspunkten ein ernstzunehmender Markstein in der Geschichte des nicht nur russischen Films.
Eine überaus ordentlich ausgestattete DVD von absolut Medien hat das Werk vor zehn Jahren zugänglich gemacht: Fassungseintrag von Freddy J. Meyers
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