Curse of the Crimson Altar (1968), Necronomicon (1993), Dark Waters (1993/94)
Lovecrafts Popularität war nach seinem Tod größer als zu Lebzeiten; man kann sogar davon ausgehen, dass sie noch immer anwächst und ihren Zenit – trotz der groben Rassismen und der latenten Scheu vor Weiblichkeit in seinen Arbeiten – in der populären Kultur noch gar nicht ganz erreicht hat. Ein erster enormer Popularitätsschub, eine erste Welle, setzte in den späten 60er Jahren ein: Als in den USA Teile seiner Briefwechsel in Buchform veröffentlicht und einige seiner Gedichte neu aufgelegt worden sind, als der Insel-Verlag in seiner hübschen Bibliothek des Hauses Usher hierzulande die ersten Lovecraft-Bände herausbrachte, als die Band H. P. Lovecraft (1967-1969) wirkte...
In diese Phase fällt auch eine erste Welle von Lovecraft-Verfilmungen: Roger Cormans "The Case of Charles Dexter Ward"-Verfilmung "The Haunted Palace" (1963), die bezeichnenderweise noch als Teil des E. A. Poe-Zyklus von AIP präsentiert worden ist, markiert den frühen Beginn (und setzt sinnigerweise auf Lovecrafts kinotauglichste Geschichte), "Die, Monster, Die" (1965) und "The Dunwich Horror" (1970) – beide von Daniel Haller –, "The Shuttered Room" (1967), "Curse of the Crimson Altar" (1968) und zwei "Night Gallery"-Folgen (1971) bilden den Hauptteil dieser frühen Welle, der in den 70er Jahren bloß noch der Foto-Film "Schatten aus der Zeit" (1975) von George Moorse, einem weniger bekannten Vertreter des Neuen Deutschen Films, und Alain Resnais herausragende – aber nur sehr frei auf Lovecraft und sein Werk Bezug nehmende – Hommage "Providence" (1979) folgen; sowie nur sehr vage, undeutlich von Lovecraft beeinflusste Filme wie "Messiah of Evil" (1973), dessen Küstenstädtchen-Horror ebenso an Lovecraft gemahnt wie Momente in "Doomwatch" (1972), "La noche De Las Gaviotas" (1975) oder "L'isola degli uomini pesce" (1979).
Deren Bezüge sind allerdings bisweilen derart undeutlich, dass man kaum verifizieren kann, wie intendiert sie tatsächlich waren. Deutlicher gerät die Bezugnahme dann in den 80er Jahren, als Sam Raimi mit seinen Necronomicon-Anspielungen in "The Evil Dead" (1981) und Lucio Fulci in seiner Gates-of-Hell-Trilogie mit Ortsnamen und Motiven explizit auf Lovecraft verweisen. Hier ist Lovecraft bereits zu einem Insider-Gag geworden.
Eine wirkliche zweite Welle setzt dann aber erst ein, als Stuart Gordon "Re-Animator" (1985) veröffentlicht. "From Beyond" (1986), die ausgesprochen freie Verfilmung "Castle Freak" (1995), "Dagon" (2001) und die "Masters of Horror"-Folge "Dreams in the Witch-House" (2006) ließ Gordon folgen, dessen Mitstreiter Brian Yuzna seinerseits zwei "Re-Animator"-Sequels (1989, 2003) und die Mitarbeit am Episodenfilm "Necronomicon" (1993) folgen ließ. Jean-Paul Ouellette widmete sich dem Horrorschriftsteller mit "The Unnamable" (1988) und "The Unnamable II: The Statement of Randolph Carter" (1992), Dan O'Bannon lieferte mit "The Resurrected" (1991) eine ambitionierte "The Case of Charles Dexter Ward"-Verfilmung und David McCormack bzw. C. Courtney Joyner bzw. Peter Svatek drehten mit "Dark Heritage" (1989) bzw. "Lurking Fear" (1992) bzw. "Bleeders" (1997) drei qualitativ unterschiedliche "The Lurking Fear"-Verfilmungen. (An letzterer arbeitet erneut Dan O'Bannon mit.) David Keith fertigte zudem Ende der 80er Jahre "The Curse" (1987) an, der sich die Story "The Colour Out of Space" (1927) zum Vorbild nahm.
Diese vor allem von Gordon, Yuzna, Ouellette und O'Bannon geprägte Phase markiert im Grunde die zweite große Welle, in welche auch ein paar große freie Film-Annäherungen an Lovecraft und seinen Kosmos fallen: Juan Piquer Simóns trashiger "La mansión de los Cthulhu" (1992), Mariano Bainos lovecraftscher "Dark Waters" (1993/1994), John Carpenters letztes großes Meisterwerk "In the Mouth of Madness" (1994), die Lovecraft zum Privatdetektiv machenden TV-Filme "Cast a Deadly Spell" (1991) und "Witch Hunt" (1994) sowie zwei "The Real Ghostbusters"-Folgen.
Die zweite Welle erstreckt sich also vor allem über zehn Jahre ab 1985 und klingt mit Stuart Gordons letzter Lovecraft-Verfilmung im Jahr 2006 endgültig aus. In diesem Zeitraum veröffentlichte zudem der französische Star-Autor Michel Houellebecq seine Lovecraft-Abhandlung "H. P. Lovecraft : Contre le monde, contre la vie" (1991) [sowie deren Wiederveröffentlichung (1998)], welche 2005 auch ins Englische übetragen wurde. Houellebecq bemerkte 1998, dass er mittlerweile mit zahlreichen jungen Leute in Kontakt gekommen sei, die Lovecraft nicht aufgrund seiner Texte kannten, sondern bloß über Rollenspiele und CD-ROMs. Heute, 20 Jahre später, hat Lovecrafts Popularität im Spiel-Sektor noch stark zugenommen. Und Cthulhu und Konsorten treiben nicht nur in den Texten gleichgesinnter Horrorautoren ihr Unwesen, sondern auch als Plüschtiere, auf T-Shirts, in YouTube-Clips und "South Park"-Folgen. Zwar hat hierzulande seit 2005 der Festa-Verlag etliche Lovecraft-Neuauflagen samt entsprechender Sekundärliteratur herausgebracht und ausgerechnet bei Fischer kam 2017 eine hochwertige Edel-Ausgabe heraus – aber Lovecrafts Werk hat sich seltsam verselbstständigt und vom Autor emanzipiert. So ist Cthulhu stark in der Geek-Kultur verankert, aber Lovecraft selbst scheint so uninteressant für die großen Studios zu sein, dass nicht einmal Guillermo del Toro seine "At the Mountains of Madness"-Verfilmung durchsetzen kann und es bei Insider-Anspielungen in anderen Filmen belassen musste.
Und so bleibt eine dritte große Welle von Filmen – mit abendfüllender Langfilm-Länge und auf Kino-Leinwänden sichtbar – aus: Im 21. Jahrhundert greifen nur noch – Gordon und Yuzna außer Acht gelassen – kleinste Independent- und Amateur-Filmer in Low-Budget-Filmen auf Lovecrafts Erzählungen zurück. Andrew Lemans "The Call of Cthulhu" (2005), Michael Granberrys Animations-Kurzfilm "From Beyond" (2006), Ivan Zuccons "Colour from the Dark" (2008), Huan Vus "Die Farbe" (2010), José Luis Alemáns "José Luis Alemáns "La herencia Valdemar" (2010) & "La herencia Valdemar II: La sombra prohibida" (2010), Sean Branneys "The Whisperer in Darkness" (2011) und Dan Gildarks "Cthulhu" (2007) sind trotz begrenzten Budgets noch die bekannteren und genießbareren Verfilmungen. Daneben sind "The Last Lovecraft: Relic of Cthulhu" (2009) & "Call Girl of Cthulhu" (2014) als trashige Horrorkomödien geplant gewesen, die zwar einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzen und explizit auf Lovecraft Bezug nehmen, es jedoch an Ernsthaftigkeit mangeln lassen. Leigh Scotts "Dunwich Horror" (2007) ist als TV-Film ebenfalls noch halbwegs populär geworden, entbehrt aber jegliche Qualitäten – daneben stehen rund hundert weitere (Kurz-)Filme, die zum Teil nach zig Jahren IMDb-Präsenz noch keine 20 (mitunter noch nicht einmal 5) Bewertungen erhalten haben...
"Curse of the Crimson Altar", im Dezember 1968 uraufgeführt, wartet gleich mit vier großen Genre-Stars jener Jahre auf: Christopher Lee, Boris Karloff, Michael Gough und Barbara Steele sind hier vereint – in einer Handlung, die sich sich teilweise an Lovecrafts "The Dreams in the Witch House" (1933) orientiert, aber gravierende Änderungen vornimmt: So huldigt hier ein Schurke recht irdischer Hypnose, um den Tod der vor Jahrhunderten verbrannten Hexe Lavinia zu rächen – welche aber letztlich doch auch über die Zeiten hinweg in ihm zu wirken weiß. Da schwingt Barbara Steeles Rolle in Mario Bavas "La maschera del demonio" (1960) kaum weniger mit als Lovecrafts Vorlage, neben welche sich hier letzte gothic-horror-Reste, modische Erotikszenen und ein paar Einflüsse des psychedelic rock gesellen: Die bunten Farben und psychedelischen Verzerrungen, die man auch in Hallers "The Dunwich Horror" wiederfindet, passen allerdings ganz gut zu Lovecraft mit seinen Farben aus dem All und den erschreckenden Auflösungen gewohnter Formen. Das erklärt auch das Interesse der 68er-Kultur an dem Schriftsteller und seinen bewusstseinserweiternden Traumreisen und Einbrüchen des absolut Fremdartigen. Cormans "The Haunted Palace" ist sicher mit Abstand der beste Lovecraft-Film der ersten Welle, aber "Curse of the Crimson Altar" taugt mit "The Dunwich Horror" am ehesten dazu, die ungewöhnliche Popularität eines durch und durch rassistischen Autors in der Ära um '68 zu erklären.
Ausführlicher äußert sich Vince in seinem Review. In einem hübschen Mediabook von Wicked Vision liegt der Film auf BluRay und DVD vor: Fassungseintrag von Vince
"Necronomicon", im November 1993 uraufgeführt, entstand gewissermaßen in der Hochphase lovecraftschen Kino-Horrors und war vor allem ein Projekt Brian Yuznas, der nicht bloß zuvor "Bride of Re-Animator" gedreht, sondern auch Stuart Gordons Lovecraft-Verfilmungen produziert hatte. Er selbst führte Regie bei der Rahmenhandlung dieses Episodenfilms und auch bei der letzten (und schwächsten & blutigsten) Episode. Dabei entstammt jede Episode dem berüchtigten Necronomicon und gewährt Einblicke in unheimliche Einfälle des Übernatürlichen in die Realität zu unterschiedlichen Zeiten – wobei Lovecraft (Jeffrey Combs) selbst als Leser Blick in ebendieses böse Buch wirft, derweil dadurch eine finstere Macht geweckt zu werden scheint. Die anderen zwei Episoden stammen von Christophe Gans, der zuvor bloß die kurze, aber lohnenswerte Giallo-Hommage "Silver Slime" (1981) gedreht hatte, und Shusuke Kaneko, der insbesondere Ende der 80er Jahre mit Erotikfilmen, insbesondere roman porno, eine gewisse Popularität erlangt hatte. Gans kommt mit seiner teils in der Vergangenheit angesiedelten Geschichte, in welcher Edward De LaPoer im alten Familienanwesen an der Küste die ertrunkene Geliebte zurück ins Leben zu rufen scheint und infolgedessen auf eine Kreatur aus der Tiefe stößt, dem lovecraftschen Touch noch am nächsten (ohne der angeblichen Vorlage "The Rats in the Walls" (1924) irgendwie treu zu sein). Kaneko lässt David Warner – der mit "Providence", "Casting a Spell" und "In the Mouth of Madness" drei weitere lovecraftsche Filme in seiner Filmografie angesammelt hat – in einer Episode agieren, welche zwar Lovecrafts "Cold Air" (1926/28) recht ansprechend umsetzt, wobei aber die Geschichte zum weniger bedeutenden Frühwerk des Horrorautors zählt und vom kosmischen Grauen wenig aufzuweisen hat. Diesem kommt zwar Yuzna in der gefälligen Rahmenhandlung und in seiner eigenen Episode noch recht nahe: aber diese letzte Episode, die von "The Whisperer in Darkness" (1931) inspiriert wurde, nähert sich Lovecraft so frei wie Stuart Gordons frühe Lovecraft-Verfilmungen es taten – und wird mit dem schrillen Tonfall den Texten des Autors kaum gerecht.
Nicht so ganz günstig ist der Film als inzwischen vergriffene Kinowelt-DVD zu haben: Fassungseintrag von Intergalactic Ape-Man
"Dark Waters", Mariano Bainos russisch-britische Koproduktion, die je nach Quelle 1993 in Russland oder 1994 in Italien uraufgeführt worden sein soll, ist in Teilen vom italienischen Horrorkino geprägt worden, zu welchem Baino mit früheren Kurzfilmen selbst noch beigetragen hatte. Zwar beruft er sich – ähnlich wie John Carpenter in "In the Mouth of Madness" – nicht ausdrücklich auf H. P. Lovecraft, aber die Geschichte über unheimliche Vorgänge in dem Kloster an der Küste einer verrufenen Insel, in welchem sich die Erweckung einer alten Gottheit aus den Tiefen des Meeres andeutet, lässt mehrfach Bezüge zu Lovecrafts Erzählungen erkennen... auch deshalb, weil es ein Fischerdörfchen mit bizarren Gestalten gibt und weil die Hauptfigur ihrer eigenen Geschichte und Herkunft auf den Grund geht. In ausdrucksstarken Farben entwickelt Baino seine Geschichte und kreiert einen faszinierenden kleinen Horrorfilm, der ihn seinerzeit für viele als Hoffnung des europäischen Horrorkinos erscheinen ließ. Tatsächlich blieb es jedoch bis heute der einzige Langfilm des Regisseurs, der in den nächsten zehn Jahren gar nichts mehr drehen sollte und erst seit 2004 vier Kurzfilme nachgeschoben hat, die jedoch kaum Verbreitung finden konnten.
Über die Qualitäten des lange Zeit raren Kleinods lässt sich McKenzie in seinem Review aus. Nach der lange vergriffenen DVD (Fassungseintrag von McKenzie) hat NoShame mittlerweile auch eine BluRay nachgeschoben.
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Happy Halloween!
Passend dazu drei lovecraftsche Filme… auch wenn angesichts von “Halloween” (2018) Carpenters Klassiker und Miners Sequel mit ihren 40 bzw. 20 Jahren in so eine Rubrik gepasst hätten. Wird in 5 bzw. 10 Jahren nachgeholt…
(Und “Nightmare Before Christmas” ist nicht vergessen, der folgt in Kürze…)
Und allen Halloween-Verschmähern einen netten Reformationstag!