eXistenZ (1999) & Matrix (1999)
Ungefähr zur Einführung des Xerox Alto lieferte Rainer Werner Fassbinder seinen TV-Zweiteiler "Welt am Draht" (1973) ab, entstanden nach dem Roman "Simulacron-3" (1964) von Daniel F. Galouye, der zwischen "Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb" (1964), "Fail-Safe" (1964) und "Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution" (1965), Dennis Feltham Jones' "Colossus" (1966) und "2001: A Space Odyssey" (1968) zu einer Zeit herausgekommen war, in der man skeptisch auf die rasche Entwicklung der Elektronengehirne hin zu moderneren Minicomputern zu blicken begann. Bei Galouye und Fassbinder kam in diesem Rahmen bereits der Verlust nicht nur eigener handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten ins Spiel, sondern gar der Verlust des Realitätsbezuges bzw. der Realität selbst, die sich als Simulation entpuppt. 1999 ließ Josef Rusnak eine bescheidene Neuverfilmung folgen, die von zwei artverwandten Sci-Fi-Filmen jedoch gnadenlos an die wand gespielt wurde.
David Cronenberg, der zum Zeitpunkt des Booms der VHS Stan VanDerBeeks "Movie-Drome" (1964) in ein dystopisches "Videodrome" (1982) umdachte, kehrte mit dem am 16. Februar 1999 uraufgeführten "eXistenZ" zum Thema zurück: nun unter dem Einfluss des Siegeszuges des Internets sowie unter dem Einfluss der rasanten Fortschritte im CGI-Sektor, der spätestens mit "Final Fantasy: The Spirits Within" (2001) Schlagzeilen machte und unter anderem für hanebüchene Diskussionen über die Zukunft von Filmschauspieler(inne)n sorgte. Über eine Art Nabelschnur kann man sich in der Welt aus "eXistenZ" mit Gaming-Pods verkabeln, die einen in eine virtuelle Spiel-Realität saugen, in der Jude Law an der Seite von Jennifer Jason Leigh einen bösen Paranoia-Thriller durchstehen muss. Cronenberg fährt hier die kruden Blut- und Gewalteffekte ebenso zurück wie den allegorischen Überbau, traf aber den Nerv der Zeit.
Das galt um so mehr für den am 24. März 1999 uraufgeführten "Matrix" der Wachowski Brothers, die man heute als Wachowski Sisters kennt. Nach ihrem Debütfilm "Bound" (1996) legten sie damit quasi ihr Hauptwerk vor, dem sie bis 2003 zwei Sequels folgen ließen, um später noch "Matrix Resurrections" (2021) nachzuschieben. Auf philosophischen Slogans aufbauend, deren Quellen man mindestens bis Platon zurückdatieren kann, lieferten sie einen Sci-Fi-Action-Streifen ab, der vor allem mit seinen Bullet-Time-Aufnahmen faszinierte, auch wenn man diese schon in den 1880er Jahren zu gesicht bekommen konnte, ehe sich überhaupt das Kino als Institution bzw. Dispositiv etabliert hatte. "Matrix" verflachte, was ein Cronenberg seinerseits bereits verflacht hatte – war aber wohl gerade deswegen auch deutlich populärer. Beide Filme stehen dabei im Kontext der mind game movies, die seit Mitte/Ende der 90er Jahre den Ton angaben, verwiesen aber (mit Rusnaks "The Thirteenth Floor" (1999)) deutlicher als andere Werke auf die technischen Hintergründe des Diskurses, der sich vor dem Umbruch der 1***er Jahre in die 2***er Jahre auch aus einer obskuren Verlust- Aufbruchs- und Endzeitstimmung speiste, die sich damals auch in etlichen Katastrophenfilmen niederschlug.
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