Cul-de-sac (1966)
Seit Mitte der 50er Jahre hatte Polanski einige Kurzfilme bewerkstelligt, von denen etwa "Rozbijemy zabawe" (1957) oder "Dwaj ludzie z szafa" (1958) längst zu Kurzfilmklassikern des polnischen Kinos zählen. Ein erster Langfilm - "Noz w wodzie" (1962) - entsteht noch in Polen; in Großbritannien entsteht drei Jahre darauf "Repulsion" (1965): Beide Filme gelten quasi seit Erscheinen als Klassiker der Filmkunst. Zwischendurch dreht Polanski eine Episode für den Omnibusfilm "Les Plus belles escroqueries du monde" (1964), an welchem unter anderem auch die damaligen Hoffnungen der Filmkunst Godard und Chabrol mitwirkten. Zweifelsohne war dem 1933 geborenen Polanski trotz seiner jungen Jahre der Durchbruch gelungen. 1966 lieferte er dann "Cul-de-sac" ab, der voll und ganz den absurden Touch des frühen Kurzfilmschaffens Polanskis atmet - und den er seinerzeit (zugegebenermaßen etwas marktschreierisch) als seinen besten Film anpries. Das gemischt aufgenommene Werk genießt unter Polanski-Kennern heute durchaus einen guten Ruf, wenngleich sich das Werk aus der Menge seiner Langfilm auf sonderbare Weise hervorhebt... Aber der Bekanntheitsgrad fällt inzwischen deutlich mickriger aus: Im Gegensatz zu seinen vorangegangen Langfilmen und den folgenden Langfilmen "Dance of the Vampires" (1967) und "Rosemary's Baby" (1968) sagt "Cul-de-sag" bloß wenigen Cineasten etwas; nur die mehrheitlich als eher misslungenen Polanski-Filme "What?" (1972) und "Pirates" (1986) erhalten ähnlich wenig Aufmerksamkeit wie "Cul-de-sac", gleichwohl nicht nur Polanski selbst diesen Film für bemerkenswert hielt.
Der am 17. Juni 1966 uraufgeführte Film mag vielleicht deshalb nicht jene beständige Aufmerksamkeit erlangt haben, weil er sich kaum an Genrevorgaben orientiert. Als Hybrid aus Gangsterfilm, Beziehungsdrama, Thriller, Gesellschaftssatire und absurdem Theater - dem im Arbeitstitel "Si Katelbach arrive" deutliche Beckett-Anklänge zukommen - erzählt er die Geschichte eines Gangsters, der an der Küste Hilfe in einem Landhaus sucht und dabei in eine ohnehin suboptimale Beziehung hineingerät - derweil sich sein angeschossener Partner zurückgelassen im Wagen der Flut ausgesetzt sieht und der Liebhaber der Dame des Hauses so wenig fern ist wie auch anreisende Freunde des Hausherren. Es ist gewissermaßen die neurotische & absurde Wendung seines Langfilmerstlings, dramaturgisch weniger geschlossen und inszenatorisch experimentierfreudiger... Gackernde Hühner, Frühstück auf dem Fußboden, Donald Pleasence in Frauenkleidern (wie später Polanski in "Le Locataire" (1976) oder Amalric in "La Vénus à la fourrure" (2013)), nervöse, kurzsichtige Gangster, ein stets abwesender Gangsterboss, ein Auto in den steigenden Fluten, alberne Streiche, Kommunikationsstörungen, krude Gewalt ins Groteske gewandelt und Egoismus, Feigheit und Rachsucht in hysterischer Übersteigerung... dazu mal surreale, mal expressive Bilder, sowie ein aufdringlicher Soundtrack: Nichts für den Genrefan und eher etwas für all diejenigen, die absurdes Theater auch im Kino sehen wollten. Und diese Zielgruppe stellte schon in den schrillen 60er Jahren, in denen etwa ein Godard mit "Les carabiniers" (1963) oder ein Losey mit "Boom!" (1968) auf den Spuren absurden Theaters wandelten, eine eher kleine Gruppierung dar.
Dass "Cul-de-sac" als einziger Polanski-Langfilm hierzulande noch auf eine DVD-Veröffentlichung wartet, hat diese sonderbare Film-Bizarrerie jedenfalls nicht verdient: In Großbritannien liegt der Film hübsch kontextualisiert mit den vorangegangenen Lang- und Kurzfilmen Polanskis in der Roman Polanski Collection bei Anchor Bay vor: Fassungseintrag von _the_Dude
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