Repulsion (1965)
Als Roman Polanski im Juni 1965 auf der Berlinale den Sonderpreis der Jury für „Ekel“ erhielt, konnte sich der junge Regisseur keinen besseren Karrierestart in der westlichen Filmwelt wünschen. Anfang der 1960er Jahre war er von Polen nach Frankreich emigriert, hatte seitdem aber keinen eigenen Langfilm realisieren können. Nicht nur markiert der psychologische Horrorfilm "Ekel" den Beginn einer äußerst produktive Phase in Polanskis Schaffen, sondern er eröffnet auch die (inoffizielle) Mieter-Trilogie oder Apartment-Trilogie. Diese umfaßt neben „Ekel“ auch „Rosemaries Baby" (1968) und „Der Mieter“ (1976) und beschreibt das Leben in den großen Städten als einen Zustand der Vereinsamung, Isolation und Entfremdung, trotz oder gerade wegen der modernen Wohnsituation in großen Mietshäusern: Viele Menschen wohnen zwar sehr dicht nebeneinander, doch kreuzen sich ihre Lebenswege entweder gar nicht oder wenn, dann auf merkwürdige, oft auch unheimliche Weise. Besonders der letztgenannte Aspekt der Un-heimlichkeit des eigenen Heims drückt den Filmen dieser Trilogie seinen Stempel auf und läßt sie in verschiedenen Abstufungen zu Horrorfilmen werden.
In „Ekel“ ist es eine junge, attraktive Frau namens Carol (Catherine Deneuve in ihrer vielleicht besten Rolle), für die ihre Wohnung in London vom Ort des Rückzugs zum bedrohlichen Gefängnis wird, als sie dort für einige Tage allein ist und zusehends verwahrlost. In immer drastischeren, mit virtuosen filmischen Mitteln umgesetzten Wahnvorstellungen entgleitet Carol der Bezug zur Wirklichkeit: Die Wohnung scheint ein Eigenleben zu gewinnen, mehr und mehr Risse klaffen in den Wänden, plötzlich auftauchende Männer vergehen sich an Carol. Die Ursache für diese offenbar psychopathologischen Symptome interessiert Polanski nicht, er nimmt Carols Geisteszustand ernst und ganz ihre Perspektive ein. Doch neben Wahnsinn und großstädtischer Isolation hält Polanski noch einen dritten Ball im Spiel: Der titelgebende Ekel bezieht sich auf Carols tiefe, körperliche Abscheu vor allem Männlichen (vor allem in sexueller Hinsicht), der sie schließlich zur Mörderin werden läßt. Tatsächlich machen die im Film auftretenden Männer keine gute Figur und lassen Carols Ekel für den Zuschauer sogar ein Stückweit nachvollziehen – diese quasi subkutane Verhandlung von Geschlechterrollen ließe sich leicht mit Carols Wahnsinn abtun, erweist sich aber gerade aus heutiger, gender-sensibilisierter Sicht als überaus fruchtbar.
Die Thematik der klaustrophobischen, bedrohlichen Innenräume durchzieht Polanskis Werk wie ein roter Faden und läßt sich noch in seinen neuesten Filmen aufspüren. In „Ekel“ wird sie erstmalig entfaltet, daher ist es um erfreulicher, daß eine gut ausgestattete Blu-ray-DVD-Combo des restaurierten Films beim Label Pierrot Le Fou erschienen ist (Fassungseintrag von Halleluja). Weitere Einsichten in den vielschichtigen Film bietet die Kritik von bubimann.
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