Die Stadt ohne Juden (1924)
In "Berlin ohne Juden" (1925) erzählte Artur Landsberger seinerzeit die Vertreibung deutscher Juden aus Berlin; eine frappierend hellsichtige Dystopie, die von radikalen Auswüchsen des Antiseimitismus handelt und auch die Schäden für die Gesellschaft insgesamt ins Auge fasst. Landsberger, der schon früh ins Visier der Nationalsozialisten geraten war, die später seine Bücher aus dem Verkehr ziehen sollte, nahm sich im Oktober 1933 das Leben. "Berlin ohne Juden" erschien in dem Jahr, in dem Hugo Bettauer ermordet worden war: von einem jungen Zahntechniker mit guten Beziehungen Kontakten zu NSDAP-Mitgliedern, deren Parteigenosse er kurzzeitig war. Bettauer hatte mit "Die Stadt ohne Juden" (1922) die Inspirationsquelle für Landsbergers Roman geliefert – auch wenn oder gerade weil Landsberger von "Die Stadt ohne Juden" nicht völlig überzeugt war. Indes war dieser Roman seinerzeit mit dem reichlich aktuellen Thema ein ziemlicher Erfolg bei der Leser(innen)schaft. Ideal also für eine Verfilmung – dürfte sich der österreichische Filmemacher H. K. Breslauer gedacht haben, der in der (infolge der Hyperinflation) ins Schwanken geratenen österreichischen Filmllandschaft schnell Geldgeber für den populären Stoff fand, der in aller Munde war. Mit Ida Jenbach und Bettauers Beteiligung schrieb Breslauer das Buch, das auf die strengere Filmzensur Rücksicht nahm und das Geschehen in ein fiktives Setting ohne tagesaktuelle Bezüge verlagerte, und drehte den Film schnell ab; dieser wurde dann nach Drehende mit geradezu unverantwortlicher Hast fertiggestellt, wobei Materialfehler sinnentstellende nötige Schnitte nach sich zogen. Das Endprodukt stellte Breslauer nicht zufrieden und erregte vor allem Bettauers Unmut. Der Film, der am 5. Mai 1924 als Pressevorführung zu sehen gewesen sein soll, um am 24. Juli 1924 seine Uraufführung zu erleben, hinterließ bei der Filmkritik wenig Eindruck, löste zumeist nur negative Besprechungen aus. Auch deshalb, weil bei aller Kritik am Antiseimitismus nicht auf antisemitische Annahmen verzichtet wurde. Später verschollen, dann neu, aber fragmentarisch herausgebracht, liegt seit 2015 eine weitestgehend wiederhergestellte Version vor, die wieder größeres Interesse genießt: weil "Die Stadt ohne Juden" teils dem expressionistischen Film zugerechnet werden kann – und weil eben der Stoff selbst so kurz vor den Gräueln der NS-Zeit ausgesprochen denkwürdig anmutet.
Zu bekommen ist die 2015er-Version als (DVD und) Blu-ray bei absolut Medien: Fassungseintrag von MMeXX
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