The Hoodlum (1919)
Der Regisseur Sidney Franklin ist am bekanntesten für zwei, drei Filme, an denen er bloß gemeinsam mit anderen Regie-Kollegen mitgewirkt hat: für "The Good Earth" (1937), das in China angesiedelte Drama mit Paul Muni und Luise Rainer, für "Goodbye, Mr. Chips" (1939), bei dem er Sam Wood assistierte, und für David O. Selznicks zig Regisseure verschlingendes, pathetisch-schwülstiges Melodram "Duel in the Sun" (1946), das später vor allem aus einer Camp-Perspektive gewertschätzt worden ist. Der am 31. August 1919 uraufgeführte "The Hoodlum" zählt zu den Frühwerken Sidneys, der 1915 erstmals auf dem Regiestuhl Platz genommen hatte und bis 1957 aktiv blieb, gleichwohl sich die Produktivität ab Mitte der 30er Jahre gehörig reduzierte. "The Hoodlum" ist unter diesen Frühwerken mit Abstand das bekannteste – wohl auch deshalb, weil es sich um einen Mary-Pickford-Klassiker handelt, der den Star in einer typischen Paraderolle bietet.
Die Geschichte basiert auf einem Roman von Julie Matilde Lippman und bietet im Grunde ein Motiv vieler späterer Sozialkomödien wie "Sullivan's Travels" (1941), "Trading Places" (1983) oder "Life stinks" (1991): den sozialen Abstieg der Hauptfigur, die daraufhin neue Erfahrungen macht und damit einen Erkenntnisgewinn erlebt. Pickford ist hier als verwöhnte Enkeltochter eines vermögenden Geschäftsmannes zu sehen: eine verzogene Göre, die das Personal plagt und in ihren Anfällen des Jähzorns auch sich selbst schädigt; sie besitzt wie viele andere Kindsfrauenrollen Pickfords einen eher kindlichen als weiblichen Charme, gleichwohl sich die junge Dame, deren Alter ungewiss ist, in Begleitung auch einmal hinter das Lenkrad eines Wagens klemmt (um wie eine Furie zu fahren): Aber eine ausgewachsene Frau ist sie noch nicht – erst am Ende ihres langen Abenteuers wird sie im Rahmen einer eher unzulänglich entwickelten Romanze zur erwachsenen (Ehe-)Frau. Als ihr Großvater eine Europareise machen will, ist es ihr Wille, sich bei ihrem Vater aufzuhalten, der in Craigen Street Sozialstudien verfasst. Das hier herrschende Elend stößt sie zunächst ab, aber bald nimmt sie Anteil an den Schicksalen der Armen – insbesondere der Kinder. Sie legt ihre Allüren und ihre Überheblichkeit bald ab, übernimmt Verantwortung, freundet sich mit einem hübschen Nachbarn an, mit dem sie im Finale gar (aus moralisch vertretbaren Gründen) in die Villa ihres negativ konnotierten Großvaters einbricht; übrigens in Männerkleidung (was eine Seltenheit in ihrer Karriere war). Mit dieser Verantwortung qualifiziert sie sich schließlich für die Mutterrolle und heiratet dementsprechend den liebgewonnenen Gefährten.
Weder die Romanze, noch die sozialkritischen Ansätze werden konsequent verfolgt. Aber "The Hoodlum" überzeugt als teils gewitzt inszenierter Pickford-Klassiker, der passenderweise mit "Poor Little Rich Girl" (1917) und "Sparrows" (1926) in einer schönen DVD- oder BluRay-Edition bei Milestone (Fassungseintrag von Hank Quinlan 1958) vorliegt... "passenderweise" deshalb, weil Pickford wieder einmal als "(Poor) Little (Rich) Girl" agiert, als unschuldiges Mädchen, das in materieller Hinsicht alles hat und dabei dennoch wichtiges entbehrt, weil Pickford aber zugleich auch als Figur auftritt, die lernen muss, Verantwortung und Fürsorge zu übernehmen – ganz so wie ihre Hauptfigur in "Sparrows", die als Älteste einer Gruppe von Kindern die übrigen Zöglinge vor einem diabolischen Schurken beschützen muss.
"The Hoodlum" ist mit dieser Entwicklung ein so typischer wie richtungsweisender Pickford-Klassiker und ganz und gar ein Kind seiner Zeit: eine wenig vorteilhaft gezeichnete jüdische Nebenfigur und Pickfords einleitendes Werben an einer Schultafel für war savings stamps unterstreichen das noch einmal ganz besonders...
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Und noch ein kleiner Bonustitel zum Internationalen Kindertag…