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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Doppelrolle für Mary Pickford

Stichwörter: 1910er Drama Jubiläum Klassiker Liebesfilm Literaturverfilmung Locke Marion Neilan Pickford Spielfilm Stummfilm USA

Stella Maris (1918)

Die 1892 geborene Mary Pickford agierte bereits 1907 am Broadway, ehe D. W. Griffith sie 1909 zum Film holte. Weit über 100 Kurzfilme drehte sie in den kommenden 3-4 Jahren, in denen sie auch höchst erfolgreich immer höhere Gagen aushandelte, bis sie um 1913 auch zunehmend in komplexeren Langfilmen aufzutreten begann. 1916 war sie dann endgültig ganz oben angekommen: Ihre Popularität beim Publikum suchte mittlerweile ihresgleichen und Adolph Zukor sicherte ihr zu dieser Zeit absolute Entscheidungshoheit bei ihren Filmen zu. Es folgen in den nächsten zehn Jahren zahlreiche Streifen, die noch heute über einen ausgezeichneten Ruf verfügen: "The Little Princess" (1917), "The Little American" (1917), "The Poor Little Rich Girl" (1917), "Stella Maris", "Daddy Long Legs" (1919), "The Hoodlum" (1919), "Pollyanna" (1920), "Through the Back Door" (1921), "Little Lord Fauntleroy" (1921), "Little Annie Rooney" (1925) und "Sparrows" (1926), um einige der beliebtesten zu nennen. Zudem gründet Pickford zu dieser Zeit mit weiteren Kollegen United Artists (1919) und die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (1927). Ab 1927 klingt ihre Karriere dann bis 1933 wieder langsam aus, begleitet von aufsehenerregenden Imagewechseln und einer Oscar-Auszeichnung. Pickford wird dann zur lebenden Legende, die 1950 eigentlich die Hauptrolle der gealterten Schauspielerin in Wilders "Sunset Blvd." hätte spielen sollen und 1976 einen Oscar für ihr Lebenswerk erhielt, bevor sie dann drei Jahre darauf verstarb.

"Stella Maris", der am 21. Januar 1918 uraufgeführt worden war, lässt Mary Pickford als erster ihrer abendfüllenden Langfilme in einer Doppelrolle agieren: In "Little Lord Fauntleroy" sollte sie diese Technik mit einer Selbst-Umarmung noch perfektionieren und in ihrem Abschiedswerk - Frank Borzages "Secrets" (1933) - dritt- & letztmalig zur Doppelrolle zurückkehren.
Der Film erzählt die Geschichte des unglücklich verheirateten Mannes John Riska, der von zwei anderen Frauen geliebt wird: Von der titelgebenden "Stella Maris" (Pickford), die aufgrund einer Krankheit von ihren Eltern bislang in ihrem Zimmer aufbewahrt worden ist, wo man alle unerquicklichen Dinge des Lebens von ihr verborgen hält; und von dem unglücklichen Waisenkind Unity Blake (Pickford), welches als Dienstmädchen von den Riskas eingestellt und von Mrs. Riska misshandelt wird. Am Ende wird Unitys Unglück sie dazu treiben, ihr eigenes Leben zu verwirken, um John und Stella dabei eine gemeinsame Zukunft zu ermöglichen; Stella wiederum wird dabei die ihr bislang unbekannten Schattenseiten des Lebens kennenlernen müssen und die Instabilität & Angreifbarkeit des Glücks begreifen.
Die Story mag reichlich konstruiert wirken, wurde aber immerhin sehr konsequent und mit Geschick konstruiert. Ersonnen hat dieses Lehrstück über die Beziehung von Glück und Unglück William J. Locke mit dem gleichnamigen Roman; in ein Drehbuch überführt hat den Stoff aber keine geringere als Frances Marion, die ab 1915 vor allem für viele Pickford-Filme die Drehbücher schrieb und an vielen großen US-Klassikern beteiligt war: Sjöströms US-Meisterwerk "The Wind" (1928), Clarence Browns "Anna Christie" (1930), King Vidors "The Champ" (1931) oder George Cukors "Dinner at Eight" (1933) gehen etwa allesamt auf ihr Konto. Während ihrer Zeit bei MGM genoss sie als Drehbuchautorin bis zum Tode Irving Thalbergs große künstlerische Freiheiten, ehe dann eine zehnjährige Phase des Ausklangs erfolgte. Marion ist mit ihrem Oscar für "The Big House" (1930) nicht bloß die erste Drehbuchautorin, die den Oscar erhielt, sondern auch unter Berücksichtigung ihrer männlichen Kollegen der erste Autor, der den Oscar zweimal erhielt (mit "The Champ"). Eine dritte Oscar-Nominierung erhielt sie später noch für "The Prizefighter and the Lady" (1933) - ging diesmal jedoch leer aus. "Stella Maris" lässt bereits jede Menge Talent erkennen, wenngleich der von Locke ersonnene Stoff etwas überkonstruiert ausgefallen sein mag.
Und auch Regisseur Marshall Neilan war - nachdem ihn Pickford ab 1916 für ihre Filme verpflichten konnte - seinerzeit noch ein ernstzunehmender Regisseur, ehe er zu Tonfilmzeiten schließlich unbeeindruckende Werke wie z.B. das schwache Gruseldrama "Chloe, Love Is Calling You" (1934) ablieferte. 1937 endete Neilans Regie-Karriere schließlich; ebenso seine Karriere als Darsteller. Es folgte eine lange Phase des Alkoholismus: Nach 20jähriger Pause konnte er dann immerhin in der kleinen Rolle als Sen. Worthington Fuller in Kazans "A Face in the Crowd" (1957) auf die Leinwand zurückkehren - ein versöhnlich stimmendes Happy End im Vorjahr seines Todes.
Solide Regie, ein originelles Drehbuch und eine gewohnt faszinierende Pickford in zwei Rollen: Es verwundert nicht, dass "Stella Maris" ein beliebter Erfolg wurde und 1925 eine Neuverfilmung nach sich zog - immerhin von Charles Brabin ("The Mask of Fu Manchu" (1932)) inszeniert und mit Mary Philbin in derselben Doppelrolle besetzt (weshalb man auch von einem Remake sprechen könnte), aber dennoch vergleichsweise unbekannt geblieben.
"Stella Maris" ist indes in Zeiten des Internets gut zugänglich und wurde vor nunmehr 18 Jahren auch auf DVD angeboten, welche mittlerweile jedoch vergriffen und bloß selten für annehmbare Preise zu finden ist: Fassungseintrag von Azriel


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