Tacones lejanos (1991)
Francisco Franco stirbt im November 1975; 1977 finden die ersten freien Wahlen statt. Etwas ändert sich in der spanischen Kultur und nicht zuletzt die nationale Filmlandschaft liefert ein Spiegelbild dieser Veränderung ab. Pedro Almodóvar, der seit Mitte der 70er Jahre Kurzfilme drehte, setzt nun auf anrüchige Titel wie "Sexo va, sexo viene" (1977) und "Folle... folle... fólleme... Tim!" (1978). Schon sein erster Langfilm "Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón" fällt mit krassen Frivolitäten (etwa mit einer lesbischen Sexsklavin, die auf Urin-Spiele steht) auf und muss unmittelbar vor der Movida madrileña betrachtet werden, an der sich Spaniens Wandel seit dem Franquismus besonders anschaulich betrachten ließ. Mit "La Ley del Deseo" (1987) - sein erster Film aus seiner Produktionsfirma El Deseo! - feierte er nicht bloß einen großen Erfolg auf der Berlinale, sondern vergrößerte überhaupt seinen internationalen Ruf als bedeutendster der neuen spanischen Filmemacher der Gegenwart. Und auch in Spanien wird er trotz aller Tabubrüche gefeiert: Das Magazin Fotogramas y Video sieht in "La Ley del Deseo" die Zukunft des nationalen Kinos. Und Regisseure wie Bigas Luna oder Fernando Trueba und der schon seit den späten 60er Jahren erfolgreich tätige Vicente Aranda folgen Almodóvar alsbald mit mehr oder weniger skandalträchtigen, anrüchigen Werken, die Spanien nun als besonders liberales Filmland ausweisen sollen. Im Jahre 1991 befinden sich aber - Variety zufolge - sechs Almodóvars unter den 13 in den USA erfolgreichsten spanischen Filme: kein Zweifel, dass Almodóvar zu dieser Zeit das Glanzlicht des spanischen Kinos war. Der hohe Wiedererkennungswert seiner Handschrift, die Klassiker des Melodrams - von Sirk bis Fassbinder - zitiert und mit schrillen, grellen Reizen und zahlreichen, humorvoll dargebotenen Anrüchigkeiten anreichert, mag zu dem breiten Interesse an Almodóvars Werk beigetragen haben; dass der Filmemacher als "offen schwuler" Künstler seine Homosexualität immer wieder auch in seinen Filmen thematisierte, ließ ihn zudem für schwul/lesbische Szenen zu einer Art Ikone werden.
"Tacones lejanos", der am 23. Oktober in Spanien präsentiert wird, kommt Pünktlich zu dem Zeitpunkt heraus, an welchem Almodóvar zweifellos auf dem Höhepuntk seines Erfolges angelangt ist. Es geht einmal mehr (und nicht zum letzten Mal) um Mutter-Tochter-Konflikte, um (im Kino) eher ungewöhnliche Formen der Sexualität, um Eifersucht, Gewalt und Liebe. Auf seine ihm eigene Weise mixt Almodóvar Melodram, Thriller und Komödie, um wieder einmal einen modernen Klassiker des erotischen Films abzuliefern. Der Tonfall scheint hier aber - trotz aller grellen Momente - düsterer und ernster zu werden, als er es in seinen ersten Werken war: dieser Trend setzte sich im Laufe der Jahre noch fort und kulminierte kürzlich in seinem tragischen Einsamkeits- & Verlust-Drama "Julieta" (2016). Der mit Victoria Abril, Marisa Paredes und einem jungen Javier Bardem zudem ansehnlich besetzte Streifen ist kostengünstig einzeln auf DVD zu erwerben (Fassungseintrag von J.) oder aber in einer 16 Titel umfassenden Almodóvar-Box (Fassungseintrag von Black Smurf), mit der man sich beinahe das Gesamtwerk des Regisseurs auf einen Schlag zulegen kann.
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