Vampire Circus (1972) & Dracula A.D. 1972 (1972) & Blacula (1972)
Nach über einem dutzend Jahren Hammer-Horror-Kost auf den Leinwänden und unter dem Einfluss eines frisch entstandenen modernen Horrorkinos suchten Filmschaffende nach neuen Möglichkeiten, den klassischen Gestalten der Phantastik neue Züge zu verleihen, um sie mit dem sich allmählich wandelnden Geschmack der Kinogänger(innen) gehen zu lassen. Naheliegend erschien da zunächst eine neue Kontextualisierung der altbekannten Figuren: wie weiland bei Universal griff man zu Monster-Crossovern, ließ Vampire auf Wolfsmenschen, Mad Scientists oder Kunstmenschen stoßen – was sich wie bei Universal als Einbahnstraße erweisen sollte, in die man aber auch Dekaden später immer wieder einmal zurückkehren sollte; oder man übersiedelte die Vampire aus ihren dörflichen, meist kontinental- bis osteuropäischen Milieus in hippere Gefilde, die dem Alltag der britischen und US-amerikanischen Jugendkulturen vertrauter waren. Geschickter und subtiler waren hingegen die Wege der Herausarbeitung der dem Vampirismus inhärenten Erotik, die mitunter auch Rollenbilder verhandelten. Hier soll es aber um den Weg der neuen Milieus gehen: Hammer ging ihn etwa mit dem am 30. April 1972 uraufgeführten "Vampire Circus" und dem zwischen Ende Juni und Ende September 1972 in die Kinos angelaufenem "Dracula A.D. 1972", in den USA kreuzte man wie viele andere Horrorstoffe auch die Dracula-Story mit dem Blaxploitation-Sektor in dem am 26. Juli 1972 uraufgeführten "Blacula".
Diese Ansätze waren keinesfalls neu: Schon in Paul Landres' "The Return of Dracula" (1958) flüchtete sich Dracula aus seiner Heimat in das Kalifornien der Gegenwart; und schon in William Beaudines "Billy the Kid vs. Dracula" (1966) verschlug es den populären Vampirgrafen in den Wilden Westen. Aber erst als der klassische Vampirfilm im Laufe der 60er Jahre eine populäre Mode geworden war und gegen Ende der Dekade seine Stellung angesichts modernerer Horrorfilme zu verlieren schien, wurde es auch eine Mode, das Setting in den Vampirfilmen experimentell zu variieren. Dabei handelte es sich um Modernisierungsbemühungen, die heute eher aus camp-Perspektive reizen: die einigermaßen harmonische Integration klassischer Horrormotive ins moderne Kino sollte erst in den 80er Jahren von "The Hunger" (1983) über "Fight Night" (1985) bis "The Lost Boys" (1987) und vor allem "Near Dark" so recht gelingen. (George A. Romeros moderner Vampirfilm-/Psychothriller-/Drama-Mix "Martin" (1977) trieb dagegen eher ein Spiel mit modernen und klassischen Versatzstücken.)
"Vampire Circus" greift noch recht behutsam zu einem neuen Milieu: Zeit und Raum der gewohnten gothic horror-Kost bleiben grundsätzlich gewahrt, ist die Handlung doch im österreichischen Raum des frühen 19. Jahrhunderts angesiedelt. Ohne die großen Stars des Studios, aber doch immerhin mit Anthony Higgins, John Moulder-Brown, Adrienne Corri und David Prowse, setzt der keinesfalls genreerprobte Regisseur Robert Young das Drehbuch des keinesfalls genreerprobten Autors Jud Kinberg nach einer Story des sehr wohl als Genre-Routinier begreifbaren George Baxt in der skurrilen Kulisse eines Wanderzirkus in Szene: Das Motiv des fahrenden Volks mit all seinen im Genre so häufig verwendeten wie problematischen Rom(nj)a-und-Sinti(zze)-Klischees wird dabei freilich bemüht, um den verheerenden Zirkus in das kleine Dorf geraten zu lassen, welches just seuchenbedingt von der Umgebung abgeriegelt worden ist. (Wie in "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1922) werden Seuche und Vampirismus hier in einen Zusammenhang gebracht.) Und mit dem Zirkus kommt freilich das Grauen in das Dorf, in dem anderthalb Dekaden zuvor ein gepfählter Vampirgraf bittere Rache geschworen und in die Wege geleitet hatte: genauer gesagt kommt es in der Form des Schaustellers Emil über die Dörfler(innen), bei dem es sich immerhin um einen Cousin des Vampirgrafen handelt, der sich bisweilen in einen schwarzen Panther verwandelt. Ein paar Grausamkeiten und erotische Sequenzen bedienen dabei ganz direkt die neuen Sehgewohnheiten.
Intergalactic Ape-Man beleuchtet in seinem Review die Hintergründe und Eigenarten dieses seltsamen Hammer-Horrorfilms, in dem man durchaus eine Wegscheide sehen könnte...
In "Dracula A.D. 1972" sind hingegen die großen Hammer-Stars – Christopher Lee und Peter Cushing – sowie Caroline Munro mit dabei, aber dieser Beitrag zu Dracula-Reihe ging doch gänzlich unerwartete Wege: Zwei Jahre nach dem Ableben des Grafen in Roy Ward Bakers "Scars of Dracula" (1970) ließ Alan Gibson, der auch den ähnlich gelagerten "The Satanic Rites of Dracula" (1973) inszenieren sollte, ihn im London der Gegenwart auferstehen. Don Houghton schrieb das zugrundeliegende Drehbuch – und sollte diese Modernisierungsbemühungen auch bei "The Satanic Rites of Dracula" und dem gothic-/Eastern-Mix "The Legend of the 7 Golden Vampires" (1974) an den Tag legen. Dieses Drehbuch legte der Auferstehung eine schwarze Messe zugrunde, danach geht im Grunde alles den gewohnten Gang – bloß eben im zeitgenössischen Ambiente. Und weil die Polizei in diesen Vampirismus-Fällen, die damals vom Highgate Vampire-Fall profitierten, im Dunkeln tappt, springt ein Nachfahre Van Helsings in die Bresche, der seinem berüchtigten Ahnen aufs Haar gleicht. Und dessen Enkeltochter wird mit ihrem Freundeskreis bald Zielscheibe des unheilvollen Treibens. Musikalisch untermalt wird all das von der US-Rockband Stoneground und der Electronic-/Acid-Rockband White Noise sowie von Michael Vickers aus dem Manfred Mann-Umfeld, der ein Titeltheme zwischen Funk und Disco abgeliefert hat. Das Ergebnis ist ähnlich bizarr wie der der deutsche Titel "Dracula jagt Mini-Mädchen", der freilich auf Miniröcke tragende Mädchen verweist, stellt aber bloß einen ersten Schritt in Richtung des Absonderlichen dar...
Schwarz geht in seinem Review auf die kuriosen Blüten dieses Films ein...
Noch grobschlächtiger geht die Blaxploitation-Variation der Dracula-Figur vor: "Blacula" von William Crain – Startschuss einer Reihe ähnlicher Horror-Blaxploiation-Vehikel wie "Scream Blacula Scream" (1973), "Blackenstein" (1973) oder "Dr. Black, Mr. Hyde" (1976) – verlegt nicht den Vampirgrafen in die Gegenwart, sondern lässt sein Opfer, einen afrikanischen Prinzen (William Marshall), in der Gegenwart auferstehen – und zwar mitten in Los Angeles. Doch das Konzept legt es zumindest darauf an, mit dem europäischen rassistischen Grafen und dem afrikanischen abolitionistischen Prinzen ein gegensätzliches Paar aufzubauen, in dem sich Kolonialismus und Sklaverei als vampirisch präsentieren: Anders als Dracula entpuppt sich Blacula dann auch als tragische Figur, die nicht nur ihrer großen Liebe nachjagt und dabei scheitern wird, sondern letztlich auch den Freitod wählt. Freilich ist auch das Van-Helsing-Pendant hier ein afroamerikanischer Wissenschaftler, der mit der Polizei der sich ausbreitenden Vampirseuche nachgeht.
Ein guter, geschweige denn kritischer Blaxploitation-Vampirfilm ist dabei dennoch nicht herausgekommen; den sollte erst Bill Gunn und Fima Noveck mit "Ganja & Hess" (1973) abliefern, welchem Spike Lee später ein Remake spendierte. Buxtebrawler kehrt die (bei aller Kuriosität) mittelmäßige Qualität des Films in seinem Review hervor...
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Und auch in diesem Jahr wieder ein kleines Halloween-Triple… 😉