Shock (1946) & Dragonwyck (1946)
Seit 1938 stand der spätere Horrorfilm-Star Vincent Price vor der Kamera; schon am Anfang seiner Karriere in richtungsweisenden Rollen wie in "The House of the Seven Gables" (1940) oder "The Song of Bernadette" (1943) oder in großen Filmklassikern wie etwa "Laura" (1944) oder "Leave Her to Heaven" (1945). Seinen ersten echten Durchbruch hatte er dann 1946 in zwei Hauptrollen, die sich rückblickend bestens in seine Karriere einfügten, in der er mehrfach tragische, wahnhafte oder boshafte Schurken gab...
"Shock" hatte seine Premiere am 10. Januar 1946 feiern können: Vincent Price agierte hier Dr. Richard Cross – ein Psychiater, der für seine Affäre mit einer Geliebten seine Gattin ermordet, die im Streit angekündigt hat, seinen Ruf zu zerstören. Es gibt allerdings eine Zeugin der Tat, die im wahrsten Sinne des Wortes schockiert ärztliche Hilfe benötigt: in der unmittelbaren Nachkriegszeit bildeten Schock und Trauma ein populäres Thema, das prägend von Hitchcock in "Spellbound" (1945) umgesetzt worden war und im dokumentarischen Sektor etwa von John Huston in seinem jahrzehntelang zurückgehaltenen "Let There Be Light" (1946/1980) beleuchtet worden ist. Dr. Cross jedenfalls scheint der geeignete Mann zu sein; und erhält infolgedessen die ideale Möglichkeit, die Zeugin seiner Tat zu beseitigen. Seine Geliebte ist dabei eifrig bemüht, ihm seine letzten Hemmungen auszureden... als routinierter B-Movie-Thriller erwies sich "Shock" seinerzeit mehr als Kassen-, weniger als Kritiker(innen)-Erfolg. Für Price war es die erfolgreich genutzte Chance, sich als Darsteller zu profilieren...
In dem am 10. April 1946 uraufgeführten "Dragonwyck" nach einem Roman Anya Setons legte er dann sogleich noch einmal nach, in einem deutlich glamouröseren Prestigeprojekt, das beinahe Ernst Lubitsch mit Gregory Peck gedreht hätte. Doch die Regie landete schließlich bei Joseph L. Mankiewicz, der Seytons Vorlage auch selbst adaptierte. Price steht hier nach "Laura" und "Leave Her to Heaven" zum dritten Mal mit Gene Tierney vor der Kamera – und spielt, wie schon in "Shock", einen Mann, der auf perfide Weise den Tod einer Frau plant... Es ist die so freundliche wie schöne Farmerstochter Miranda Wells, die der charismatische, aber auch sehr dünkelhafte und in seinen schwärzen Momenten recht misanthropische Grundbesitzer Nicholas Van Ryan als entfernter Verwandter in den 1840er Jahren auf sein familienfluchbelastetes Dragonwyck Manor einlädt. Derweil Van Ryans kranke Gattin dahinsiecht, entsteht eine Zuneigung zwischen ihnen, gleichwohl Miranda von Nicholas' aristokratischer Attitüde und Misanthropie mehrfach auch abgestoßen wird. Dennoch kommt es bald zur Eheschließung, doch nach dem Ableben eines gemeinsamen Kindes verfällt Nicholas Van Ryan – derweil die Bauern beginnen, die Pacht zu verweigern – düsterem Brüten und depressivem Lebensekel... Und bald schwebt Miranda in ernster Gefahr, in welcher der "Weiße Oleander" des deutschen Titels eine zentrale Rolle spielt... Prächtiges Kostümdrama, romantischer gothic novel-Stoff, Thriller und Historienfilm über den Anti-Rent War mit sozialem Bewusstsein – alles vermengt "Dragonwyck" ganz stimmig in knapp 100 Minuten, wobei nicht zuletzt Price ganz in seinem Element ist: bemitleidenswert in seiner Einsamkeit, unsympathisch in der Verachtung seiner Mitmenschen, verführerisch mit seinem geballten Charisma... seine Figur fasziniert, zieht an und stößt ab; und seine Widersacher können am Ende nicht anders, als diesem stürzenden größenwahnsinnigen Tyrannen doch auch Respekt und Mitleid zu schenken. War "Shock" Prices Durchbruch als B-Movie-Hauptdarsteller, so war "Dragonwyck" sein Durchbruch in der A-Liga (und nahm manches von dem vorweg, was Price vor allem unter Roger Corman noch liefern sollte)...
Leider vergriffen ist die alte MC One-DVD von "Dragonywyck" (Fassungseintrag von vkl), dessen deutsche Synchronisation (mit Konrad Wagner als Sprecher Prices) sich durchaus hören lassen kann, wohingegen die Savoy-Film-DVD von "Shock" (Fassungseintrag von LJSilver) noch immer billig zu bekommen ist...
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