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von ratz

Vor 75 Jahren: Ein Preminger-Noir mit Subtext

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Laura (1944)

Bekanntlich wurde die Ästhetik des klassischen amerikanischen Film Noir entscheidend von Filmschaffenden aus Deutschland geprägt, die seit den 1930er Jahren verstärkt emigriert waren. Soweit sie in der US-Filmindustrie Fuß fassen konnten, brachten sie Erfahrungen und ästhetische Konzepte der deutschen, expressionistisch geprägten Filmkultur mit und ließen diese in die Hollywoodproduktionen vor allem der 1940er und 50er Jahre einfließen. Zu den erfolgreicheren Exilanten zählte der Österreicher Otto Preminger, der am 11. Oktober 1944 das Krimidrama „Laura“ und damit einen Klassiker des Film Noirs in die Kinos brachte.

Der wendungsreiche Plot um einen Detective (Dana Andrews), der den Mord an der schönen Laura (Gene Tierney) aufklären soll, sich in ihr Portrait verliebt und plötzlich der Ermordeten leibhaftig gegenübersteht, wird von Preminger souverän inszeniert: elegantes Voiceover über einer langen Rückblende, nächtliche Szenen, prägnante Dialoge und ein suspensegeladenes Finale. Doch der Film hält interessante geschlechterpolitische Details bereit, die „Laura“ mehr sein lassen als ein bloßes Kriminaldrama. So ist einer der Mordverdächtigen, der Kolumnist Lydecker (Clifton Webb), recht eindeutig als homosexuell gezeichnet – ungewöhnlich für einen Hollywoodfilm dieser Zeit, zudem war Webb tatsächlich homosexuell und bekam durch das Betreiben Premingers in „Laura“ seine erste Filmrolle seit 25 Jahren. Die Titelheldin wiederum ist eine starke, selbstbestimmte Frau, die erfolgreich ein eigenes Unternehmen leitet und sich aus der Umklammerung ihrer männlichen Umgebung befreit, indem sie sich von Lydecker lossagt und die Hochzeit mit dem Schlitzohr Shelby ablehnt. Shelby wiederum, differenziert gespielt von Vincent Price, steht unter dem Einfluß seiner älteren, dominanten Geliebten (Judith Anderson). In diesen gebrochenen Figuren und Figurenkonstellationen spiegelt sich die fortschrittliche Haltung der Autorin Vera Caspary, die 1943 die Romanversion „Laura“ ihres Theaterstückes veröffentlicht hatte. Caspary war in diesen Jahren bereits Mitglied in der Kommunistischen Partei der USA, und auch wenn sie sich später vom Kommunismus distanzierte, engagierte sie sich weiterhin für sozialistische Ziele u.a. in der Hollywood Anti-Nazi League und der League of American Writers.

Caspary sollte 1953 noch einmal die Vorlage für Fritz Langs „Gardenia“ liefern, blieb aber durch die Kommunistenhatz der McCarthy-Ära vom Filmgeschäft weitgehend ausgeschlossen. Preminger indessen konnte für den Film Noir bzw. das Charakterdrama mit Noir-Elementen noch Meilensteine wie „Fallen Angel“ (1945), „Where the Sidewalk Ends“ (1950) oder „Angel Face“ (1952) beisteuern. Leider ist die empfehlenswerte deutsche DVD-Special-Edition von „Laura“ (Fassungseintrag) derzeit vergriffen, aber auf dem Gebrauchtmarkt noch günstig zu bekommen. Im europäischen Ausland dagegen sind qualitativ bessere Blu-ray-Editionen mit umfangreichen Extras erhältlich. Cinecritic faßt in seinem Review die Noir-Qualitäten von „Laura“ noch einmal zusammen.


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