Rojô no reikon (1921)
In den späten 10er Jahren setzte sich im japanischen Film eine (schon zuvor gelegentlich hier und da auftauchende) Verwestlichung durch, die eine größere Bedeutung der Montage, eine selbstverständlichere Aufteilung in unterschiedliche Einstellungsgrößen – unter denen besonders die Großaufnahme ihre feste Etablierung erlebte –, naturalistischere Kulissen und zweckdienliche Schwenks mit sich brachte: Die onnagata, Männer in Frauenrollen, wurden durch Schauspielerinnen ersetzt, die benshi – die Live-Erzähler während der Filmvorführungen – behielt man zwar bei, aber das Filmbild emanzipierte sich und übernahm Funktionen, die zuvor noch beim benshi lagen...
Ab dem 1923er Kanto-Erdbeben setzte dann eine Zerstörung alter Filmrollen ein, die über die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und eine auch in Nachkriegszeiten anhaltende relative Geringschätzung der Filmkunst weit ins späte 20. Jahrhundert hineinreichte. Entsprechend sind viele frühe Klassiker dieses verwestlichten japanischen Films – wie auch viele japanische Stummfilme insgesamt – heutzutage verschollen. Und blickt man auf Top-Ten-Listen des japanischen Stummfilms, so tummeln sich dort zu einem großen Teil auch allerlei 30er-Jahre-Titel...
Einer der populärsten frühen japanischen Stummfilmklassiker, der heute noch erhalten ist, beachtliche Qualitäten bietet und ein eindringliches Beispiel der erwähnten Verwestlichung darstellt, ist das am 8. April 1921 uraufgeführte Drama "Rojô no reikon" von Minoru Murata, der – wie der Produzent Kaoru Osanai – ein großes Interesse am westlichen Theater aufwies. Bei dem Film handelt es sich um eine freie Verfilmung des Stücks "Mutter Landstraße" (1901) von Wilhelm Schmidtbonn, angereichert mit Elementen aus Maxim Gorkis "Na dne" (1901/1902, Nachtasyl). Herausgekommen ist ein komplexer Film, der – dicht dran an David Wark Griffith' Techniken sowie manchen Motiven – eine zunächst episodenhaft anmutende Struktur und etliche Figuren geschickt zu einem Reigen reiht, der in zwei Richtungen eine Tragödie und eine Komödie entfaltet, deren Zeugen am Ende noch einmal kurz einen gegenteiligen Verlauf beider Handlungen ausmalen...
Worum es geht, verrät die Inhaltsangabe von PierrotLeFou... Für mehr Informationen über Film und Kontext sei eine Magisterarbeit von Anna Friederike Antonia Schüler am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin empfohlen: https://www.iaaw.hu-berlin.de/de/seminar-fuer-ostasien-studien/japan/studium/ausgewaehlte-arbeiten/schueler.pdf
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