Obrazy starého sveta (1972)
Gerade erinnert "Dear Memories - Eine Reise mit dem Magnum-Fotografen Thomas Hoepker" (2022) über den an Alzheimer erkrankten Fotografen Hoepker daran, dass die Fotografie als ein Medium des Erinnerns oder zumindest – mit Roland Barthes gesprochen – des Beglaubigens (dass etwas so gewesen ist) gilt; auch wenn die Manipulierbarkeit der Bilder längst enorme Ausmaße angenommen hat. Foto und Film bilden ein spannendes Paar im Hinblick auf das Erinnern, Beglaubigen oder (im Fluss der Bewegtbilder) Vergegenwärtigen; entsprechend erfreuen sich Foto-Filme – gerade im essayistischen Sektor – enormer Popularität unter Theoretikern des Films, der Fotografie, der Medien. Kein reiner Foto-Film ist der am 10. Juli 1972 uraufgeführte "Obrazy starého sveta", der Stand- und Bewegtbilder mixt und seinen Ausgangspunkt in einer Fotoserie von Martin Martincek seinen Anfang nahm. Dusan Hanák spürte die fotografierten Orte selber auf, drehte Szenen mit der Bevölkerung, die teils dokumentarisch, teils inszeniert wirken. Auf eine avantgardistische Weise, die sich der Nová vlna zurechnen lässt, als deren Ende (oder Anfang vom Ende) meist die Zerschlagung des Prager Frühlings im August 1968 gesehen wird, zeigt Hanák in seiner originellen Bild-Ton-Montage: alte Menschen, vom Leben gezeichnete Menschen, versehrte und kranke Menschen, faltig, in Hütten und Häusern, die wie der gelebte Lebensstil eher an das 20. Jahrhundert gemahnen, derweil drum herum die Menschen, Sowjets wie Gagarin, das All erobern und Fortschrittlichkeit waltet. Ein bisschen surreale Komik ist darin zu entdecken (und auch Jan Svankmajer hat Hanák zur Seite gestanden), viel Melancholie auch. Diese vermeintliche Rückwärtsgewandtheit, die auch noch Körper im Zustand allmählicher Zersetzung darbietet, passten ideologisch freilich nicht so recht zu jenem Staat, dessen Bemühungen um einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" von der Sowjetunion bzw. großen Teilen des Warschauer Paktes brutal niedergeschlagen worden war: So wurde Hanáks Film dann auch bald mit einem Verbot belegt und erst Ende der 80er-Jahre wieder freigegeben. Im Jahr 2000 wählten ihn slowakische Filmkritiker(innen) dann zum besten slowakischen Film überhaupt: Eine späte Genugtuung für Hanák, der vier Jahre zuvor mit "Papierove hlavy" (1996) seinen letzten Film abgeliefert hat, um die Geschichte der Tschechoslowakei von der Nachkriegszeit bis ins Jahr 1989 in den Blick zu nehmen.
Eine gewohnt informativ mit Bonusmaterialien ausgestattete DVD-Version des Films hatte Second Run herausgebracht...
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