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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Richard Oswalds Phantastik-Klassiker nach Hoffmann & Offenbach

Stichwörter: 1910er Deutschland Drama Hoffmann Jubiläum Klassiker Krauss Literaturverfilmung Offenbach Oper Oswald Phantastik Pick Spielfilm Stummfilm

Hoffmanns Erzählungen (1916)

An E. T. A. Hoffmanns wundervollen Erzählungen kommt man kaum vorbei, wenn man sich für die phantastische Literatur interessiert: "Der goldne Topf" (1814), "Die Abenteuer der Sylvester-Nacht" (1815) und "Der Sandmann" (1816) zählen zu den ganz großen Klassikern der phantastischen Literatur und ganz generell sind Hoffmanns Fantasiestücke in Callot's Manier, seine Nachtstücke, sein Roman "Die Elixiere des Teufels" (1815) und große Teile seiner Sammlung "Die Serapionsbrüder" (1819-1821) - darunter "Rat Krespel", eine der schönsten Erzählungen überhaupt - sehr zu empfehlen... "Rat Krespel", "Die Abenteuer der Sylvester-Nacht" und "Der Sandmann" würden bereits in recht vorlagengetreuen Versionen ordentliche Langfilme abgeben können - aber meist interessierten sich die Filmemacher für eine episodenfilmartige Verknüpfung dieser Erzählungen in einem einzelnen Film, der auf Jacques Offenbachs Oper "Les Contes d’Hoffmann" (1881) basiert, die ihrerseits auf ein 1851er Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré zurückgeht. "The Tales of Hoffmann" (1951) von Powell & Pressburger ist sicherlich die bekannteste und farbenprächtigste Umsetzung des Stoffes, der - obwohl auf einer Oper basierend - ausgerechnet zu Stummfilm-Zeiten schon 3x umgesetzt worden ist: 1911 und 1923 in Österreich(-Ungarn), 1916 in Deutschland unter der Regie Richard Oswalds.

"Hoffmanns Erzählungen" - der am 25. Februar 1916 seine Premiere feierte - ist ganz sicher nicht Oswalds Meisterwerk, aber zumindest ein Film, der für die deutsche Filmlandschaft der Zeit relativ charakteristisch ist. Oswald - heute vor allem für aufklärerisch-engagierte, aber auch etwas spekulative Filme bekannt, sowie für die Entdeckung späterer Filmstars - hatte unübersehbar ein Faible für phantastische oder unheimliche Stoffe: "Schlemihl" (1915), "Der Hund von Baskerville" (1915), "Das unheimliche Haus" (1916), "Die Rache der Toten" (1916), "Das Bildnis des Dorian Gray" (1917), "Unheimliche Geschichten" (1919) und "Unheimliche Geschichten" (1932) zeugen ebenfalls davon. "Hoffmanns Erzählungen" ist aber nicht bloß ein Beispiel für Oswalds Phantastik- & Schauer-Affinität, sondern auch ein Beispiel für das Interesse der deutschen Filmlandschaft an diesen Themen, das sich von "Die Insel der Seligen" (1913), "Die Eisbraut" (1913), "Die Augen des Ole Brandis" (1913), "Der Student von Prag" (1913) und "Der Andere" (1913) über "Der andere Student von Prag" (1914), "Der Golem" (1915), "Homunculus" (1916), "Rübezahls Hochzeit" (1916), "Der Golem und die Tänzerin" (1917), "Alraune" (1918) bis hin zu "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) und den großen Klassikern des expressionistischen, unheimlichen Kinos erstreckt, welche vor allem die erste Hälfte der 20er Jahre prägen. Eng damit verbunden ist der Gedanke des Autorenfilms (im Sinne von "Films berühmter Autoren"), der von der Filmkritik und Filmschaffenden ab 1913 gefordert wird: Wichtigste Figur in dieser Sache war sicherlich H. H. Ewers - bekannt für seine skandalösen Horrorgeschichten und effekthascherischen Romane –, der sich als (umstrittener, aber gefragter) Autor dem Kino zuwandte und mehrere Drehbücher erstellte und Dreharbeiten betreute. Bei "Hoffmanns Erzählungen" war Ewers freilich nicht dabei, aber der Film steht ganz und gar im Geiste des Autorenfilms, präsentiert sich doch Oswald im Prolog vor Schillers Grab - was keinerlei Sinn ergibt, aber die Ehrfurcht vor der Literatur und den um Anerkennung buhlenden jungen Film zum Ausdruck kommen lässt. Dass dieser Schiller erwähnende, Hoffmann bearbeitende (und Offenbach verfilmende) Autorenfilm ausgerechnet an einer unausgereiften Dramaturgie krankt, lässt ein gewisses Unverständnis von Filmkunst und Literatur erkennen und ist ein schöner Beweis dafür, dass der deutsche Film noch nicht ganz auf der Höhe war (wenngleich die Dänen Urban Gad und Stellan Rye, deren Heimat Dänemark bereits zu Beginn der 10er Jahre zu den weltweit führenden Filmlandschaften zählte, hierzulande bereits einige große Filme hingelegt hatten). Formal ist der Film dagegen sehr solide ausgefallen, wenngleich er kaum aus der Menge an Filmen seiner Zeit hervorsticht: Lediglich der altertümliche Charme und einige Licht-/Schatten-Kontraste dürften begeistern. Als Film von Oswald und mit Lupu Pick und Werner Krauss dürfte er für Cineasten aber ohnehin einen Blick wert sein...
Worum es geht? Inhaltsangabe von PierrotLeFou


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