Beitrag

von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Spencer Tracys letzter Film

Stichwörter: 1960er Drama Hepburn Jubiläum Klassiker Kramer Liebesfilm Poitier Rassismus Spielfilm Tracy Tragikomödie USA

Guess Who's Coming to Dinner (1967)

John Ford holte ihn - nach einigen Kurzfilm-Auftritten - für "Up the River" vom Broadway auf die Leinwand; für Michael Curtiz und Henry King, für Frank Borzage und Fritz Lang, für Sam Wood und Victor Fleming und viele andere agierte er in den 30er Jahren in Haupt- und Nebenrollen. Anfang der 40er Jahre spielte er auf Katherine Hepburns Wunsch an ihrer Seite unter George Stevens' Regie in "Woman of the Year" (1942) - eine erfolgreiche Leinwand-Partnerschaft, die sich bis 1957 noch siebenfach wiederholen sollte. Mit "Inherit the Wind" (1960) kommt es dann in seinem späten Schaffen zur ersten Zusammenarbeit mit Stanley Kramer, der Tracy noch mehrfach in komplexen Rollen und in ambitionierten Filmen einsetzen sollte: Ihre Zusammenarbeiten sollten zu den Höhepunkten ihrer jeweiligen Filmografien zählen. Neben "Judgment at Nuremberg" (1961) und "It's a Mad Mad Mad Mad World" (1963) zählt noch "Guess Who's Coming to Dinner" zu den Kramer-Tracy-Filmen - und sollte zugleich Tracys letzter sein. Das war schon bei Drehbeginn klar: Tracy litt mittlerweile unheilbar an einem Lungenleiden. Kramer, sein Stammregisseur in den 60er Jahren, und Katherine Hepburn, die hier nach zehn Jahren erstmals wieder an seiner Seite spielte, stellten gar ihre Gagen zur Verfügung, falls Tracys Dahinscheiden während der Dreharbeiten eine Neubesetzung samt Nachdrehs erforderlich gemacht hätte.
Soweit kam es glücklicherweise nicht - Tracy starb erst zwei, drei Wochen nach Drehschluss! - und der am 11. Dezember 1967 uraufgeführte "Guess Who's Coming to Dinner" schließt Tracys Filmografie würdig ab. Die Tränen, die Hepburn bei seiner langen Rede am Ende des Films vergießt, sollen angesichts der traurigen Umstände echt gewesen sein - und den fertigen Film hat sich Hepburn angeblich niemals ansehen können.
Für Kramer war hiernach die fruchtbarste Phase seiner Karriere vorüber: Seine zwischen 1969 und 1979 entstandenen Filme kamen nicht mehr an den Ruf heran, den er sich von "The Defiant Ones" (1958) bis "Guess Who's Coming to Dinner" erarbeitet hatte. Beide Filme, in denen Sidney Poitier brillierte, nehmen unter Hollywoods Rassismus-Studien prominente Plätze ein: Auch wenn Raoul Pecks "I Am Not Your Negro" (2016) kürzlich erst darauf aufmerksam gemacht hat, wie unbefriedigend ein antirassistischer "The Defiant Ones" auf das damalige farbige Publikum zum Teil gewirkt hat, so ist "The Defiant Ones" doch einer der engagiertesten Hollywoodfilme seiner Zeit zum Thema. "Guess Who's Coming to Dinner" geht zehn Jahre darauf - in denen sich gesellschaftspolitisch so einiges getan hat - noch ein ganzes Stückchen weiter und behandelt die Liebesbeziehung zwischem einem farbigen Mann und einer weißen Frau. Das war aus rassistischen (und nicht weniger auch aus sexistischen) Gründen zu dieser Zeit noch ein ungeheuerliches Tabu: Man muss sich bloß ins Gedächtnis rufen, dass Jess Franco noch in seinem ambitionierten "Paroxismus" (1969) auf Drängen der Produzenten aus der (wesentlich zeigefreudigeren) Beziehung zwischen einem schwarzen Jazzmusiker und einer weißen Frau die Beziehung zwischen einem weißen Jazzmusiker und einer schwarzen Frau machen musste; oder dass Russ Meyer in "Vixen" (1968) die im Drehbuch vorgesehene Vergewaltigung einer weißen Frau durch einen schwarzen Darsteller nicht umzusetzen wagte (weil er, wie sein farbiger Darsteller erklärt haben soll, im Süden damit keine Eintrittskarten verkaufen könne: Nicht etwa die Vergewaltigung, sondern die Besitzname der Weißen durch den Schwarzen war das Problem). Man sollte den zeitlichen Kontext dieses Films berücksichtigen, um das - durchaus nicht gänzlich ungerechtfertigte - Urteil des Filmdienstes, "Guess Who's Coming to Dinner" sei ein "gut gemeintes, versöhnliches Rührstück", nicht allzu leichtfertig zu übernehmen.
Bei Sony liegt der Film gut ausgestattet auf DVD und einer inhaltsgleichen BluRay vor: Fassungseintrag von MMeXX


Kommentare und Diskussionen

  1. Noch keine Kommentare vorhanden

Um Kommentare schreiben zu können, müssen Sie eingeloggt sein.

Registrieren/Einloggen im User-Center

Details
Ähnliche Filme