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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Langs Hauptwerk-Phase beginnt

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Der müde Tod (1921) & Das indische Grabmal, I./II. Teil (1921)

In nur fünf Jahren hatte sich Fritz Lang als Drehbuchautor in die oberste Liga spielen Können; als Regisseur reichten ihm dazu bloß zwei Jahre: zwei Jahre, in denen er vier Langspielfilme und einen Zweiteiler vorlegte. Kolportage und Phantastik waren in diesen Arbeiten bereits von Lang in Angriff genommen worden, sein eigentliches Hauptwerk setzte dann aber 1921 ein: Mit "Vier um die Frau" ließ er im Februar des Jahres noch ein – späterhin lange verschollenes – Liebesdrama folgen, aber zwei andere Produktionen waren es, die im Oktober dieses Jahr wie eine Bombe einschlagen sollten: "Der müde Tod" machte am 6. Oktober 1921 den Anfang. Bernhard Goetzke spielt den Tod, eine etwas hoffmanneske Figur in diesem vermeintlichen "deutschen Volkslied in sechs Versen". Er raubt Lil Dagover den Geliebten, aber sie erbittet sich eine Chance, ihn zurückzuholen... Daraus entwachsen drei Episoden in Bagdad, Venedig und China: fern die Orte, fern die Zeiten – das Liebespaar ist ndes stets dasselbe, ihr Ende stets tragisch. Doch der Tod ist längst der titelgebende müde Tode, mag selbst nicht mehr so recht... und sosteht am Ende noch die Chance eines freiwilligen Opfers. Es steckt viel Exotismus im Film, der nur in wenigen Momenten als deutsches Volkslied auftritt: wenn man etwa Motive entdeckt, die Märchenstoffen (wie "Der Gevatter Tod" (1812)) entliehen sind und später in einem "Gevatter Tod" (1980) ebenso auftauchen wie in einer mexikanischen B.-Traven-Verfilmung: "Macario" (1960). Der Tod und seine Behausung, die Errettung der Verstorbenen, das freiwillige Opfer, die höchste Gabe... das sind gerade mythische Motive, die durchaus eine Menge Volkstümlichkeit atmen. Die drei Episoden innerhalb der Rahmenhandlung tragen indes Züge von Exotismus und Kolportage, die von Langs "Die Spinnen, 1./2. Teil" (1919/1920) bis hin zu seinem späten Zweiteiler "Der Tiger von Eschnapur" (1959) und "Das indische Grabmal" (1959) reichen.
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Dieser Zweiteiler entstand nach einer Literaturvorlage seiner einstigen Lebensgefährtin Thea von Harbou, die zuvor bereits zweimalig von anderen Regisseuren – jeweils als Zweiteiler – umgesetzt worden war: 1938 von Richard Eichberg, ein Tonfilm in s/w... Und 1921 als Stummfilm von Joe May, dem Fritz Lang seinen Karrierestart verdankte, der schon einige Lang-Drehbücher umgesetzt hatte und der nun das von Thea von Harbou und Fritz Lang verfasste Drehbuch in eigene Hände nahm, Lang den begehrten Regieposten dieses Monumentalfilms mit Hinweis auf seine kurze Regieerfahrungen verweigerte und kurzerhand selbst auf dem Regiestuhl Platz nahm – was der Kooperation von May und Lang, der von der Hiobsbotschaft beim Dreh von "Der müde Tod" erfahren hatte, dann auch ein Ende bereiten sollte. Thea von Harbou und Fritz Lang hatten sich bei May gerade erst, ab 1919, kennengelernt: Auf den Bruch mit May folgte dann die um so engere Bindung an Thea von Harbou – drei Jahre darauf sollten sie heiraten... die Trennung folgte 1929. Für Thea von Harbou war es die zweite Ehe. Ihr erster Mann, Rudolf Klein-Rogge wurde auf ihre Empfehlung hin zu einem der wichtigen Darsteller Langs. "Das indische Grabmal, I. Teil: Die Sendung des Yoghi" jedenfalls kam am 22. Oktober 1921 in die Kinos, der zweite Teil "Das indische Grabmal, II. Teil: Der Tiger von Eschnapur" am 19. November 1921. Und auch wenn May auf dem Regiestuhl Platz genommen hatte, so zeigt "Das indische Grabmal" doch zwischen den Zweiteilern "Die Spinnen" und "Dr. Mabuse, der Spieler" (1922), in welche Richtung es gehen sollte. Hier war alles auf Größe ausgelegt – weshalb May auch fürchtete, der jüngere Kollege könnte sich überheben – und "Das indische Grabmal" sollte zum Monumentalfilm par excellence ausgebaut werden, auch mit der Unterstützung Adolph Zukors. Die Länge, die Settings und Aura der  die Schauspieler(innen) – darunter Conrad Veidt, Olaf Fønss, Mia May, Lya de Putti, Paul Richter, Bernhard Goetzke, Georg John – strahlten jede Menge Größe aus: Die Geschichte eines Architekten, der sich in Indien bald im sadistischen Spiel seines Auftraggebers wiederfindet, in welches auch die nachgereiste Gemahlin des Architekten gezogen wird, gesellen an die Seite des bekannten Exotismus noch rassistische Stereotype, die Thea von Harbous krauser Fantasie entsprungen waren, der sich Fritz Lang jedoch bereitwillig hingab. Das mag das Vergnügen an diesem – seinerzeit immens beworbenen – Monumentalfilm trüben, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass Thea von Harbou sich später prächtig mit den Nationalsozialisten zu arrangieren wusste... oder dass das Progrmmheft zum Film arg nationalistische Töne anschlug, um die Kooperation mit US-amerikanischen Partnern zu begründen. Wohin die Reise ging – nicht nur für Fritz Lang und Thea von Harbou –, war vielleicht zu ahnen; fällt zumindest im Rückblick ins Auge... Siegfried Karcauer fand dafür 1947 in einem Buchtitel die passende Formel: Von Caligari zu Hitler...
Der Zweiteiler ist von einem Booklet hervorragend kontextualisiert als DVD oder auch als Blu-ray (Fassungseintrag von Black Smurf) der Cinefest Edition erschienen, womit seit knapp zwei Jahren nun alle Verfilmungen des Stoffes hierzulande gut erhältlich sind...


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