Die Straße (1923)
Eugen Klöpfer, heute vor allem berüchtigt als Konsulent Sturm in Veit Harlans "Jud Süß" (1940), entzieht sich als verheiratet Mann der Enge seines bürgerlichen Lebens, verlässt nachts die heimische Wohnung, zieht durch die Straßen, bändelt mit einer Prostituierten an, deren Bekanntschaften derweil einen Mann beim Glückspiel ausnehmen, ihn späterhin meucheln. Täter und Prostituierte (Aud Egede-Nissen) ergreifen schnell die Flucht, die Polizei nimmt indes die ahnungslose Hauptfigur fest, die schließlich reuig heimkehrt. Spuren des Expressionismus wehen noch durch diesen um einen harten Realismus bemühten Film, der Verlockung und Bedrohlichkeit des Ausbruchs aus den Fesseln des Alltags einfängt. Carl Mayer erdachte das erzählerische Grundgerüst des am 29. November 1923 uraufgeführten Dramas "Die Straße", das Grune selbst mit Julius Urgiß in Drehbuchform brachte. Man kann sich an dem vermeintlich moralisierenden Ende stoßen, das die Rückkehr ins Normale und in die Konventionen bereithält. Aber es ist kein Happy End. Es ist fast schon vergleichbar mit der Heimkehr eines Leopold Bloom oder auch eines Fridolin aus Schnitzlers "Traumnovelle" (1926); oder auch mit der Rückkehr eines Paul aus Scorseses " After Hours" (1985) in die Büroräume nach aufreibender Nacht. Die Verlockungen der Straße, die Geilheiten in den Schaufenstern, das Ruchlose und Reizvolle in den dunklen Gassen, sind keinesfalls abgewertet; sie gehen bloß mit unberechenbaren Unsicherheiten einher, die man erst einmal ertragen können muss. Und der Sehnsuchtsraum ist nach wie vor noch da: Mann und Frau stehen am Schluss gemeinsam am Fenster, auch wenn sie bald ihre Aufmerksamkeit aufeinander richten werden.
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