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von PierrotLeFou

Vor 25 Jahren: Künstlerisch wertvolle Gewaltverherrlichung vom professionellen Amateur

Stichwörter: 1990er Amateurfilm Buttgereit Deutschland Drama Erotik Horror Jubiläum Klassiker Komödie Liebesfilm Spielfilm Splatter

Nekromantik 2 (1991)

Vom Amateurfilmer aus eigener Kraft zum Profi geworden, dabei weder Kunst, noch Trash, noch Kommerzielles, noch reine Genrearbeit machen wollend: Das war Jörg Buttgereit gegen Ende der 80er Jahre, als er seinen ersten eigenen Langspielfilm "Nekromantik" bereits hinter sich hatte, um noch drei etwas ambitioniertere Langspielfilme folgen zu lassen: "Der Todesking" (1989), "Nekromantik 2" (1991) und "Schramm" (1993)... ein eigenwilliger Selfmade-Filmemacher mit einer Vorliebe für das Abseitige und Tabuisierte, für ungewöhnliche Formen und Motive; ein prominent gewordener Hobbyfilmer, der weder mit der deutschen Amateur-Horrorszene, noch mit der Riege der Autorenfilmer in einen Topf geworfen werden konnte und eher zwischen allen Stühlen saß. Eine deutsche Ausnahmeerscheinung, die in ihrer sonderbaren Position an eigenwilligere Kollegen wie Schlingensief oder von Praunheim, Wenzel Stroch oder Marian Dora erinnert, mit denen sie freilich bloß diese Position zwischen Trash und Kunstanspruch, zwischen dem Amateurhaften und dem Professionellen teilt... Und im Fall von "Nekromantik 2" wurde sogar vor Gericht über einen möglichen Straftatbestand entschieden...

"Nekromantik 2" lief zunächst für ein paar Wochen in einigen deutschen Städten, ehe er in München aufgeführt worden ist, wo Buttgereit zufolge die Risiken für Zensurmaßnahmen am größten waren. Dort wurde die humorvolle & tragische Splatter-Romanze über eine Nekrophile zwischen einer verwesenden Leiche und einem frischen Liebhaber am 18. Juni 1991 im Werkstattkino auf Anordnung der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Daraus wurde ein veritabler Zensur-Skandal, der im April 1992 besonders groteske Blüten trieb, als ein Berliner Gericht die Beschlagnahmung aller Kopien und die Vernichtung des Originals anordnete: Buttgereit hatte zufälligerweise das Glück, dass er das Original bei einer Hausdurchsuchung nicht daheim hatte... und das Pech, dass nicht nur gegen die Münchener Filmvorführerin und den Produzenten Jelinski, sondern auch gegen Buttgereit selbst ein Verfahren angestrengt wird: wegen angeblicher Gewaltverherrlichung. Am Ende des ganzen Skandals gilt "Nekromantik 2" dann als schützenswerte Kunst - und ist heute längst zu einem eigenwilligen deutschen Filmklassiker geraten, der allerdings noch immer nicht massenkompatibel ist. Der männlichen Perspektive des ersten Teils wird nun ein weiblicher Blick gegenübergestellt, soweit dies dem männlichen Buttgereit möglich war: Hilfe erhielt er dabei durch ein vorgefundenes Interview mit der nekrophilen Karen Greenlee - und natürlich von Hauptdarstellerin Monika M., jener hübschen, jungen Frau, die Buttgereits Interesse erregte, als er sie alleine in einer Vorführung von Fulcis Splatterfilm "Quella villa accanto al cimitero" (1981) getroffen hat. Herausgekommen ist ein einfühlsamer Film über nekrophile Begierde, eine schwarze Komödie, ein Berliner Zeitdokument, ein krasser Tabubruch und ein ambitioniert und sorgfältig in Szene gesetzter Film, dem man sein vergleichsweise niedriges Budget zwar ansehen kann, der aber mit vollem Einsatz alles aus diesen Mitteln herausholt... Und ein Film, der nach dem ganzen Zensur-Theater längst in schönen Fassungen greifbar ist: Als 20th Anniversary Lim. European Edition kam vor fünf Jahren eine schöne Neuauflage des Films auf DVD heraus (Fassungseintrag von DaUlt).
Schöne Worte für einen nicht unbedingt schönen, aber durchaus guten Film findet Dionysos in seinem Review...


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