Orlacs Hände (1924)
Im Drei Masken Verlag erscheint 1922 die deutsche Übersetzung von Maurice Renards phantastischem "Les Mains d'Orlac" (1920). Es ist eine etwas groteske Mixtur aus Kriminal-, Horror-, Sci-Fi- und tragischem Stoff, die ihrerzeit auf fruchtbaren Boden gefallen ist: Zum einen war die Geschichte eines Pianisten, der nach einem Unglück seine Hände verliert und – damals noch ein Ding der Unmöglichkeit – die Hände eines hingerichteten Verbrechers enthält, wenige Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges ein Stoff, der inmitten einer Gesellschaft voller Kriegsversehrter eine Nähe zu sehr realen Schrecken besaß, zum anderen boomte im Deutschen Reich seit Langem die phantastische Literatur, die insbesondere zwischen Anfang Mitte der 10er Jahre und der Mitte der 20er Jahre aufblühte: Vom ersten von Felix Schloemp herausgegebenen "Gespensterbuch" im Jahr 1913 und vom ersten Band der von H. H. Ewers herausgegebenen "Galerie der Phantasten" im Jahr 1914 erscheinen bis Mitte der 20er Jahre etliche phantastische Anthologien, Buchreihen – wie auch K. H. Strobl "Geschichten um Mitternacht" (1923) – und Magazine – wie "Der Orchideengarten" (1919-1921) –, derweil Ewers, Strobl und Kollegen wie Alfred Kubin, Gustav Meyrink, Oscar A. H. Schmitz, Alexander Moritz Frey eine wahre welle phantastischer Literatur ablieferten und Autoren wie E. A. Poe, Frederic Boutet oder eben Renard in Übersetzungen ihrer phantastischen Texte ganz en vogue waren. Und in dieselbe Phase fiel der phantastische deutsche Stummfilm, der maßgeblich mit Ewers' Bemühungen um Autorenfilme (nicht im heutigen Sinne) und "Der Student von Prag" (1913) einsetzte und mit dem am 24. September 1924 uraufgeführten "Orlacs Hände" wieder seine Hochphase beendet hatte; so wie auch der expressionistische Film langsam wieder ein Ende nahm. Robert Wiene, der 1919 mit "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) den Klassiker des expressionistischen phantastischen Stummfilms gedreht hatte, der thematisch bereits von den Erfahrungen der Kriegszeit zehrte, lieferte mit "Orlacs Hände" zwar nicht den allerletzten Vertreter dieser Richtung ab, markierte aber deutlich das Ende einer kleinen Ära. Indes erscheint der Expressionismus hier nur noch zurückhaltend: In kontrastreichen s/w-Bildern und mit ausdrucksstarken Gesten, aber in sonderbaren leeren, nur dezent ornamental verzierten Räumen spielt sich die Handlung ab, wobei die leeren Flächen, die Conrad Veidts Orlac umgeben, geeignet sind, etwas Abwesendes, aber dennoch Beklemmendes zu markieren; also in diesem Fall, die diffuse Angst, mit den Händen eines Verbrechers auch dessen kriminellen Triebe übernommen zu haben …
Seit gut 5 Jahren liegt der Film hierzulande bei absolut Medien auf Blu-ray vor: Eintrag von polenmafia
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