Akai tenshi (1966)
Bloß ein knappes Vierteljahrhundert - von 1957 bis 1983/1984 - dauerte die Regie-Karriere Yasuzo Masumuras, der 1986 gerade einmal 62jährig an einer Hirnblutung verschied. Rund 60 Kino- & TV-Filme und einige TV-Serienbeiträge hat er in dieser knappen Zeitspanne inszeniert. Zwar besaß Masumura zumindest zwischen "Kyojin to gangu" (1958) und der Monzaemon Chikamatsu-Verfilmung "Sonezaki shinju" (1978) große Bekanntheit, seine Glanzphase erstreckte sich allerdings über die zweite Hälfte der 60er Jahre, in der er für die Daiei Studios so skandalträchtige, manchmal etwas reißerisch anmutende - aber immer ein trotz alledem recht hohes Niveau wahrende - Werke wie "Manji" (1964), "Heitai yakuza" (1965), "Akai tenshi", "Irezumi" (1966) oder "Môjû" (1969) schuf. Mit seiner Vorliebe für sexuelle Obessionen wird Masumura häufig in Pinku eiga-Gefilden verortet, wobei er dort meist zu den subversivsten Vertretern nach Koji Wakamatsu gezählt wird. Doch Masumura, der Regieassistent bei Kenji Mizoguchi und Kon Ichikawa war, der Anfang der 50er in Italien am Centro Sperimentale di Cinematografia studierte (wenngleich die von Wikipedia behauptete Nähe zu Antonioni, Fellini und Visconti mit höchster Vorsicht zu genießen ist), ein großer Kinogänger war und einigen Einfluss auf Nagisa Oshima und die nuberu bagu selbst hatte, ist kaum auf diese Sparte zu beschränken. Vielmehr scheint Masumuras Werk von einem kritischen Blick auf die japanische Gesellschaft angetrieben zu werden - von einem Blick auf die unterschiedlichen Geschlechter, auf das erotische Begehren, auf den Nationalismus, auf die Ökonomie. Oshima lobte seinen Kollegen daher auch für dessen soziologischen Blick, den Oshima ebenso übernahm, wie auch Masumuras Interesse an der Sexualität, der amour fou. "Môjû" (1969) wird in dieser Hinsicht gerne als Masumuras Meisterstück bezeichnet - und markiert zugleich den Anfang vom Ende, gingen doch die Daiei Studios 1971 bankrott. Unter Masumuras Filmen der 70er und 80er Jahre erreichten bloß noch sein Beitrag zur Goyôkiba-Reihe ("Goyôkiba: Kamisori Hanzô jigoku zeme" (1973)) und "Sonezaki shinju" größeres internationales Interesse.
"Akai tenshi", am 1. Oktober 1966 uraufgeführt, ist sicher einer der verstörendsten Filme Masumuras und ein ganz ausgezeichneter Antikriegsfilm, der - wie schon "Heitai yakuza" auf einer Vorlage Yoriyoshi Arimas basierend - nicht aufregendes Kampfgetümmel, nicht tapferen Heroismus, sondern haufenweise schreiende, leidende Kriegsversehrte zeigt - und eine Krankenschwester, die unter ihnen an der Seite eines abhängigen Arztes im Lazarett arbeiten muss. Es beginnt ein Leidensweg zwischen Vergewaltigungen, Amputationen, Selbstmorden und - gegen Ende - Kriegsgräueln, zwischen Leid, Mitleid und Schuldgefühlen, den Masumura in harten s/w-Bildern darbietet, welche gemeinsam mit einer erbarmungslosen Tonspur ein im positiven Sinne unerquickliches Erlebnis bescheren.
Yume Pictures hat den Film vor einigen Jahren als preisgünstige DVD herausgebracht: Fassungseintrag von Venom138
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