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von ratz

Vor 100 Jahren: Fritz Langs Charakterisierung des modernen Verbrechergenies

Stichwörter: 1920er Deutschland Drama Goetzke Jacques Jubiläum Klassiker Klein-Rogge Krimi Kriminalfilm Lang Literaturverfilmung Spielfilm Stummfilm Superverbrecher Thriller

Dr. Mabuse, der Spieler (1922)

Dr. Mabuse ist ein krimineller Mastermind, der sich nicht selbst die Hände schmutzig macht, sondern die verborgenen Mechanismen von Politik, Wirtschaft und Finanzwesen so bedient, daß seine eigene Macht über diese Sphären immer größer wird, während er einen Plan von geradezu globalen Ausmaßen verfolgt… Was wie die Blaupause für die meisten James-Bond-Bösewichter seit den 1960er Jahren klingt, ist tatsächlich die Hauptfigur des Stummfilms „Dr. Mabuse, der Spieler“ von Fritz Lang, dessen Teil 1 „Der große Spieler – ein Bild der Zeit“ am 27. April 1922 Premiere in Berlin feierte, Teil 2 „Inferno – ein Spiel von Menschen unserer Zeit“ kam nur einen Monat später in die deutschen Kinos.

Mit dieser Charakterisierung eines übermächtigen Antagonisten, der seine Handlanger aus dem Verborgenen befehligt und die komplexen und undurchdringlichen Zusammenhänge der modernen Geld- und Machtverhältnisse zu seinen Gunsten zu manipulieren weiß, fühlten der Romanautor Norbert Jacques und Regisseur Fritz Lang den direkten Puls der Zeit: der Meisterkriminelle Dr. Mabuse (Rudolf Klein-Rogge) steigt nicht mehr wie noch Feuillades „Fantômas“ (1913) in Wohnungen ein oder mordet Unschuldige, sondern agiert anonym und in hunderten Verkleidungen in allen Gesellschaftsschichten, sowohl im mondänen Salon als auch in der schmutzigen Arbeiterkneipe, er nutzt die neuesten Kommunikationswege und wissenschaftliche sowie psychologische Methoden und läßt die ihn verfolgende Staatsmacht (Bernhard Goetzke) weit hinter sich zurück… Nachdem Fritz Lang im Film-Großprojekt „Das indische Grabmahl“ (1921, Anniversary-Text) den Platz auf dem Regiestuhl hatte abgeben müssen, nahm er ihn nun mit um so größerer Souveränität ein: „Dr. Mabuse, der Spieler“ ist temporeiches, aufwendiges Popcorn-Kino mit großzügigen, modernistischen Kulissen und Kostümen, bietet spannende Actionszenen und Spezialeffekte und bringt neben tragisch-dramatischen Episoden auch Langs galligen Humor in Stellung, indem etwa Nebenfiguren so karikaturesk gestaltet sind, als wären sie dem Skizzenbuch von George Grosz entstiegen. Zeit seines Lebens sollten die Mabuse-Filme für Lang eine besondere Stellung innerhalb seines Œuvres innehaben: nicht nur war das Sequel „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933) Langs letzter deutscher Film vor seiner Emigration, auch war sein letzter Film überhaupt, den er dann wieder in Deutschland machte, „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ (1960).

Es gab dann in den 1960ern noch weitere Mabuse-Filme (sie bilden damit das älteste und langlebigste deutsche „Franchise“), jedoch stehen diese in Qualität und Bedeutung weit hinter denen der 1920er und 1930er zurück. Der Einfluß von „Dr. Mabuse, der Spieler“ auf die Zeichnung von übermächtigen Film-Antagonisten, die sich dem Zugriff der nationalen und internationalen Rechtsprechung entziehen, kann gar nicht überschätzt werden – es ist sicher kein Zufall, daß Gert Fröbe (Hauptrolle in „Die 1000 Augen…“) den Gegenspieler in „James Bond 007: Goldfinger“ (1964) spielt. Fritz Langs Meisterwerk liegt auf Blu-ray beim britischen Label Eureka! vor (Fassungseintrag) und glänzt mit einem vorzüglichen Audiokommentar, die ausführliche OFDb-Kritik von LittleMole betont ebenfalls die Modernität des Films und bezieht sich dabei auf aktuelle Verschwörungstheorien.


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