Great Expectations (1946)
Seine erste eigene Regiearbeit fußte auf Noël Coward, auf den auch seine folgenden drei Filme zurückgingen: Coward, der renommierte Dramatiker, lieferte David Lean Theaterstück-Vorlagen oder schrieb – alleine oder mit Unterstützung – die Drehbücher. Seinen fünften eigenen Film drehte Lean, der mittlerweile selber kein Unbekannter mehr war, sondern – gerade nach "Brief Encounter" (1945, Anniversary-Text) – einer der vielversprechendsten britischen Regisseure seiner Zeit, dann ohne Coward: Mit drei Ko-Autoren, darunter Ronald Neame, adaptierte er Charles Dickens' berühmten Roman "Great Expectations" (1860/1861).
Die Verfilmung, die am 16 Dezember 1946 zur Uraufführung gelangte, gehört zu Leans schönsten Filmen aus seiner noch bis 1954 reichenden S/W-Phase, die noch nichts mit seinen späteren Epen und Monumentalfilmen zu tun hat. Aber in "Great Expectations" zeigt sich schon deutlich das Gespür für Opulenz, die sich in der Ausstattung niederschlägt: Kulissen, Kostüme, Dekor bestechen in ihrer Fülle und Hochwertigkeit, alles effektiv mit einem Gespür für Licht und Schatten beleuchtet und formvollendet eingefangen – teils von einer elegant mobilen Kamera, teils von optimal durchkomponierten statischen Einstellungen. Kameramann Guy Green, der hierfür einen Oscar erhielt, arbeitete mehre Male mit Lean, machte aber später auch als Regisseur – eher kleiner Werke – auf sich aufmerksam. Auch das Szenenbild wurde mit einem Oscar belohnt: Auszeichnungen, die David Lean auch international großes Renommee sichern konnten. Insbesondere die gothic-affine erste Hälfte des Films kann bei solchen Qualitäten mit atmosphärischen Bildern punkten. Die Tiefe des Raums wird selten betont, dann aber geschickt auf mehreren Ebenen genutzt. Hinzu gesellt sich die hohe Qualität des tragischen, wenngleich befriedend endenden Bildungsromans Dickens' rund um den Waisenjungen Philip "Pip" Pirrip, der bei Lean – der sich immerhin zwei Stunden Laufzeit zu nehmen bereit ist – nicht bloß dank inszenatorischer Finesse und langer Laufzeit, sondern auch dank eines gelungenen Castings und der Maske ziemlich adäquat auf die Leinwand gezaubert wird. John Mills und Tony Wager schlagen sich als erwchsener bzw. junger Pip wacker und erhalten namhafte Verstärkung von Valerie Hobson, einer jungen, aber schon mit ihren 17 Jahren immens bezaubernden Jean Simmons, sowie von Alec Guinness.
Kurzum: Der Erfolg war beachtlich, künstlerisch wie kommerziell. Lean selbst ließ bald darauf mit "Oliver Twist" (1948) eine weitere Dickens-Verfilmung folgen. Und Ende des 20. Jahrhunderts wurde Leans Klassiker vom BFI zum fünftbesten britischem Film gewählt.
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