Barton Fink (1991)
Bereits zwei Mal haben Joel und Ethan Coen, die zu den wahrscheinlich erfolgreichsten amerikanischen Autorenfilmern der Gegenwart gehören, ihr eigenes Arbeitsumfeld porträtiert: Eben erst mit „Hail, Caesar!“ (2016) und vor bereits genau 25 Jahren mit „Barton Fink“ (US-Premiere am 21. August 1991) – zwei Einblicke in den industriellen Hollywood-Filmproduktionsprozeß, die sich in vielem unterscheiden, aber auch vieles gemeinsam haben. Während es in „Hail, Caesar!“ um den tatsächlichen, chaotischen Alltag an verschiedenen Filmsets eines Studios in den 1950er Jahren geht, tritt „Barton Fink“ einen Schritt zurück und konzentriert sich auf einen jungen Schriftsteller in den 1940er Jahren, die Titelfigur Barton Fink (John Turturro), der als frisch entdeckter Theaterautor den Schritt nach Hollywood wagt, um mit vermeintlich leicht zu bewerkstelligenden Drehbüchern in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen und sich damit finanzielle Unabhängigkeit zu verschaffen.
Doch natürlich verläuft der Einstieg ins Filmbusiness für Fink ganz anders als erwartet, der linkische, etwas naive und idealistische Intellektuelle muß bald feststellen, daß die Gesetze der seriellen Fertigung von Unterhaltungsprodukten kaum etwas mit seinen hehreren moralischen Maßstäben von der Darstellung des „einfachen Mannes“ zu tun haben. In der Einsamkeit seines schäbigen Hotelzimmers sieht sich Fink mit einer Schreibblockade konfrontiert, für die seine Vorgesetzten kein Verständnis haben. Finks undurchschaubarer Nachbar Charlie Meadows (John Goodman), ein massiger und ungehobelter Versicherungsvertreter, wird zu seinem einzigen Freund in der fremden Stadt und entpuppt sich unerwartet – Achtung, Spoiler! – als gesuchter Serienmörder. So lassen die Coens ihre Beschreibung der Nöte und der Einsamkeit eines kreativ Schaffenden in einen Thriller kippen, der in einem symbolisch aufgeladenen, geradezu alttestamentarisches Finale endet. Wie in viele andere Coen-Filmen sind auch in „Barton Fink“ wiederkehrende Leitmotive eingeflochten: Finks jüdische Herkunft spielt ebenso eine Rolle wie das Scheiterns menschlicher Pläne in einer Welt voller Kontingenzen – oder sind es Stolpersteine aus göttlicher Hand? Auch die Verlorenheit des modernen Individuum in einem unübersichtlichen Labyrinth von Möglichkeiten wird thematisiert und erinnert an die wegweisenden literarischen Werke von Robert Musil oder Franz Kafka (der lange Hotelflur mit seinen vielen anonymen Zimmern ist eine unverhohlene Reminiszenz an Kafkas „Das Schloß“). Unterstrichen wird die Enge und das Gefangensein Finks in seiner Situation, seinen Ängsten und Sehnsüchten durch viele unbehagliche Großaufnahmen des Kameramanns Roger Deakins (die an Orson Welles' "Prozeß"-Verfilmung erinnern), der fortan zum festen Stamm der Coen-Filmcrew gehören sollte.
In seinen vielfältigen Bezügen ist „Barton Fink“ ein unbedingt sehenswertes Gegenstück zu „Hail, Caesar!“ und bildet mit diesem einen Diptychon über das Wesen und Unwesen Hollywoods – ein meditativer Alptraum und eine hektische Liebeserklärung, beide kenntnisreich reflektiert und ironisch gebrochen. Erhältlich ist "Barton Fink" auf DVD (Fassungseintrag von cheministry) und Blu-ray (Fassungseintrag von Heimkineast), in seinem umfangreichen Review rückt ihm Fastmachine gewohnt gründlich und mit Begeisterung zu Leibe.
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